Sag's Nicht Weiter, Liebling
Finanzministerium.«
Ich begegne Lissys Blick und kann nicht dagegen an, ich pruste los.
»Emma, lach doch nicht so blöd«, sagt Lissy mit unbewegtem Gesicht. »Sekretär ist doch ein ehrenwerter Beruf. Er kann ja immer noch aufsteigen, sich weiterbilden …«
»Oh, haha, sehr witzig«, sagt Jemima genervt. »Irgendwann wird er zum Ritter geschlagen. Dann macht ihr euch nicht mehr lustig.«
»Och, ich glaube doch«, sagt Lissy. »Dann erst recht.« Plötzlich starrt sie Jemima an, die immer noch neben dem
Stuhl steht und versucht, an ihre Tasche zu kommen. »Auweia! Du kannst nicht mal deine Tasche vom Stuhl nehmen, was?«
»Doch!«, sagt Jemima in einem letzten verzweifelten Versuch, sich hinunterzubeugen. »Natürlich kann ich das. Na bitte!« Mit einem künstlichen Fingernagel angelt sie nach dem Träger der Tasche und wirft sie sich triumphierend über die Schulter. »Seht ihr?«
»Und was ist, wenn er tanzen möchte?«, fragt Lissy boshaft. »Was machst du dann?«
Kurz flackert helle Panik in Jemimas Gesicht auf, dann verschwindet sie wieder.
»Wird er schon nicht«, sagt sie verächtlich. »Engländer wollen nie tanzen.«
»Auch wieder wahr.« Lissy grinst. »Viel Spaß.«
Als Jemima zur Tür hinaus ist, lasse ich mich aufs Sofa fallen und greife nach einer Zeitschrift. Dann werfe ich einen Blick zu Lissy hinüber, aber sie starrt konzentriert ein Loch in die Luft.
»Konditionalis!«, sagt sie plötzlich. »Natürlich! Wie konnte ich denn so blöd sein?«
Sie wühlt unter dem Sofa, zieht ein paar alte Zeitungs-Kreuzworträtsel hervor und durchsucht sie.
Also ehrlich. Als wenn Spitzenanwältin zu sein nicht genügend Gehirnkapazität in Anspruch nehmen würde, verbringt Lissy auch noch ihre gesamte Freizeit mit Kreuzworträtseln, Fernschach und irgendwelchen Denksportaufgaben, die sie von ihrem beknackten Verein der Superschlauen bekommt. (Der heißt natürlich nicht so. Er heißt so ähnlich wie »Denkart - für Menschen, die gerne denken«. Und im Kleingedruckten steht dann irgendwo, dass man einen IQ von mindestens 600 haben muss, um Mitglied zu werden.)
Wenn sie mit einem Rätsel nicht weiterkommt, schmeißt sie es nicht einfach weg und sagt »dämliches Rätsel«, wie ich
das tun würde. Sondern sie hebt es auf. Und dann, drei Monate später, wenn wir gerade EastEnders gucken oder so, fällt ihr plötzlich die Lösung ein. Und dann ist sie ganz verzückt! Nur, weil ihr das letzte Wort für ein Kästchen noch eingefallen ist.
Lissy ist meine beste Freundin, und ich mag sie wirklich sehr. Aber manchmal verstehe ich sie einfach nicht .
»Was ist denn das?«, frage ich, als sie die Lösung einträgt. »Ein Kreuzworträtsel von 1993?«
»Haha«, sagt sie abwesend. »Und, was hast du heute Abend vor?«
»Ich glaube, ich mache es mir einfach zu Hause gemütlich«, sage ich und blättere in der Zeitschrift. »Eigentlich könnte ich mal meine Klamotten durchsehen«, füge ich hinzu, als mein Blick auf den Artikel »Regelmäßige Kleiderschrank-Pflege« fällt.
»Bitte was?«
»Ich dachte, ich könnte mal alles auf fehlende Knöpfe und runterhängende Säume überprüfen«, sage ich, als ich den Artikel lese. »Und mit der Kleiderbürste über meine Jacken gehen.«
»Hast du überhaupt eine Kleiderbürste?«
»Dann eben mit einer Haarbürste.«
»Ach so.« Sie zuckt mit den Schultern. »Na gut. Schade, ich wollte dich gerade fragen, ob du Lust hast auszugehen.«
»Oooh!« Die Zeitschrift rutscht zu Boden. »Wohin?«
»Rat mal, was ich hier habe?« Sie zieht verführerisch die Augenbraue hoch und wühlt in ihrer Tasche. Sehr langsam zieht sie einen großen, rostigen Schlüsselring heraus, an dem ein nigelnagelneuer Yale-Schlüssel hängt.
»Was ist das?«, fange ich erstaunt an - dann kapiere ich es plötzlich. »Nein!«
»Doch! Ich bin drin!«
»Wahnsinn! Lissy!«
»Ich weiß!« Lissy strahlt mich an. »Ist das nicht der Hammer?«
Der Schlüssel in Lissys Hand ist der coolste Schlüssel der Welt. Er gehört zur Tür eines super-angesagten Privatclubs in Clerkenwell, in den man als Normalsterblicher nicht reinkommt.
Und Lissy hat’s geschafft!
»Lissy, du bist die Coolste!«
»Nein, bin ich nicht«, sagt sie geschmeichelt. »Es war Jasper aus meiner Kanzlei. Der hat seine Beziehungen spielen lassen.«
»Mir doch egal, wer es war. Ich bin schwer beeindruckt!« Ich nehme ihr den Schlüssel ab und starre ihn fasziniert an, aber es ist nichts Besonderes dran. Kein Name, keine Adresse,
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