Sag's Nicht Weiter, Liebling
sagt Paul stirnrunzelnd.
»Die Zielgruppe …«, Connor sieht auf einen anderen Zettel, »ist 10 bis 18 Jahre alt und steckt noch in der Ausbildung. Er/sie trinkt viermal pro Woche Panther Cola, isst dreimal die Woche Burger, geht zweimal die Woche ins Kino, liest Zeitschriften und Comics, aber keine Bücher, und findet sich in dem Lebensmotto ›lieber cool als reich‹ wieder …« Er sieht auf. »Noch mehr?«
»Isst er/sie Toast zum Frühstück?«, fragt jemand nachdenklich. »Oder Zerealien?«
»Ich … ich bin nicht sicher«, sagt Connor und blättert schnell durch seine Unterlagen. »Wir könnten da noch weiter forschen …«
»Ich glaube, wir haben jetzt eine ungefähre Vorstellung«, sagt Paul. »Fällt jemandem etwas dazu ein?«
Die ganze Zeit über habe ich mir selbst Mut gemacht, etwas zu sagen, und jetzt hole ich tief Luft.
»Wissen Sie, mein Großvater liebt Panther-Riegel!«, sage ich. Alle drehen sich auf den Stühlen um und schauen mich an, sodass mein Gesicht ganz heiß wird.
»Was hat das denn damit zu tun?«, fragt Paul stirnrunzelnd.
»Ich dachte nur, ich könnte …« Ich schlucke. »Ich könnte ihn nach seiner Meinung fragen …«
»Bei allem Respekt, Emma«, sagt Connor mit einem Lächeln, das hart am Gönnerhaften vorbeischrammt, »dein Großvater gehört wohl kaum zu unserer Zielgruppe!«
»Außer er hat sehr jung angefangen«, witzelt Artemis.
Ich werde rot, komme mir wie eine dumme Gans vor und tue so, als würde ich die Teebeutel sortieren.
Ehrlich gesagt bin ich ein bisschen verletzt. Warum sagt Connor so was? Ich weiß, dass er bei der Arbeit ganz professionell und korrekt mit mir umgehen will. Aber deswegen
muss er doch nicht so gemein sein, oder? Ich würde mich immer hinter ihn stellen.
»Meine Meinung ist«, sagt Artemis, »dass wir den Panther-Riegel aus dem Programm nehmen sollten, wenn er sich nicht verkauft. Er ist ja offensichtlich ein Sorgenkind.«
Bestürzt sehe ich auf. Die können doch den Panther-Riegel nicht kippen! Was soll Grandpa denn dann zu seinen Bowling-Turnieren mitnehmen?
»Mit einem kostenbasierten, kundenorientierten Rebranding könnte man bestimmt …«, fängt jemand an.
»Das sehe ich nicht so.« Artemis beugt sich vor. »Wenn wir unsere konzeptionellen Innovationen funktional und logistisch maximieren wollen, müssen wir uns unbedingt auf unsere strategischen Kernkompetenzen fokussieren …«
»Entschuldigung«, sagt Jack Harper und hebt die Hand. Er spricht zum ersten Mal, und alle sehen ihn an. Flirrende Erwartung liegt in der Luft, und Artemis strotzt vor Selbstgefälligkeit. »Ja, Mr. Harper?«
»Ich verstehe kein Wort«, sagt er.
Der ganze Raum erstarrt vor Schreck, und ich pruste los, ohne es zu wollen.
»Sie wissen ja, dass ich mich eine Zeit lang aus dem Geschäft zurückgezogen hatte.« Er lächelt. »Könnten Sie das, was Sie gerade sagten, bitte in ganz normales Englisch übersetzen?«
»Oh«, sagt Artemis verunsichert. »Nun, ich meinte nur, dass wir von der Strategie her, ungeachtet unserer unternehmerischen Visionen …« Sie verstummt angesichts seiner Miene.
»Versuchen Sie es noch mal«, sagt er freundlich. »Ohne das Wort strategisch.«
»Oh«, sagt Artemis noch einmal. »Also, ich wollte nur sagen, dass … wir … uns auf das konzentrieren sollten … was wir am besten können.«
»Ach so!« Jack Harpers Augen leuchten. »Jetzt verstehe ich. Bitte, fahren Sie fort.«
Er sieht mich an, verdreht die Augen und grinst, und ich kann nicht anders als vorsichtig zurückgrinsen.
Nach dem Meeting wird noch weitergeredet, und der Raum leert sich langsam, während ich um die Tische gehe und die Kaffeetassen einsammle.
»Es war sehr interessant, Sie kennen zu lernen«, sagt Connor eifrig. »Wenn Sie eine Kopie meiner Präsentation haben möchten …«
»Ach, ich denke, das wird nicht nötig sein«, sagt Jack in diesem trockenen, spöttischen Ton. »Ich denke, ich habe es mehr oder weniger mitbekommen.«
Du lieber Gott. Merkt Connor denn nicht, dass er sich viel zu sehr bemüht?
Ich staple die Tassen zu riskanten Türmen auf den Wagen, dann klaube ich die Kekspapierchen zusammen.
»Ich habe genau jetzt einen Termin im Designstudio«, sagt Jack Harper, »aber ich weiß schon gar nicht mehr, wo das ist …«
»Emma!«, bellt Paul. »Würden Sie Jack bitte zum Designstudio begleiten? Sie können dann später weiter aufräumen.«
Ich erstarre und kralle mich an einer orangefarbenen Kaffeesahneverpackung fest.
Bitte
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