Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sag's Nicht Weiter, Liebling

Sag's Nicht Weiter, Liebling

Titel: Sag's Nicht Weiter, Liebling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Familien und Kollegen mischen. So, hier ist eins. Schneewittchen.« Er schiebt mir ein grauenhaftes Nylonkleid mit Puffärmeln zu.

    »Ich will nicht Schneewittchen sein …«, hebe ich an, breche aber ab, als ich Moira aus der Buchhaltung sehe, die mit unglücklichem Gesicht in ein räudiges Gorillakostüm gesteckt wird. »Okay.« Ich schnappe mir das Kleid. »Ich bin Schneewittchen.«
     
    Mir ist zum Heulen zumute. Mein entzückendes, schmeichelhaftes Kleid liegt in einer Baumwolltasche, ich kann es am Ende des Tages wieder abholen. Und ich sehe aus wie eine Sechsjährige. Eine farbenblinde Sechsjährige mit null Geschmack.
    Als ich bedröppelt aus dem Zelt trete, spielt die Band beschwingt den Um-pa-pa-Song aus Oliver , und irgendjemand macht eine unverständliche, knisternde Ansage durch die Lautsprecher. Ich schaue mich um, blinzle gegen die Sonne, und versuche zu erkennen, wer in welcher Verkleidung steckt. Ich entdecke Paul, der als Pirat verkleidet mit drei kleinen Kindern am Bein über den Rasen läuft.
    »Onkel Paul! Onkel Paul!«, kreischt eins. »Mach noch mal das böse Gesicht!«
    »Ich will einen Lolli!«, schreit ein anderes. »Onkel Paul, ich will einen Lolliiii!«
    »Hi, Paul«, sage ich elend. »Na, amüsieren Sie sich?«
    »Wer auch immer sich diesen Corporate Family Day ausgedacht hat, gehört erschossen«, sagt er ohne jedes Anzeichen von Humor. »Lass doch verdammt noch mal endlich meinen Fuß los!«, fährt er eins der Kinder an, und sie quietschen alle vor Vergnügen.
    »Mummy, ich muss aber nicht für kleine Mädchen!«, murmelt Artemis, die als Meerjungfrau verkleidet in Begleitung einer imposanten Dame mit einem riesigen Hut vorbeiläuft.
    »Artemis, es gibt keinen Grund, so zickig zu sein!«, dröhnt die Frau.

    Es ist wirklich komisch. Mit ihren Familien zusammen sind die Leute ganz anders. Gott sei Dank ist meine nicht hier.
    Wo Jack wohl ist? Vielleicht im Haus. Vielleicht sollte ich …
    »Emma!« Ich sehe mich um und entdecke Katie, die auf mich zukommt. Sie trägt ein völlig groteskes Karottenkostüm und hat einen älteren Herrn mit grauen Haaren untergehakt. Der ihr Vater sein muss, nehme ich an.
    Was ein bisschen seltsam ist, denn sie hat doch gesagt, sie käme mit …
    »Emma, das ist Phillip!«, sagt sie strahlend. »Phillip, das ist meine Freundin Emma. Sie hat uns zusammengebracht!«
    W- was?
    Nein. Das glaube ich nicht.
    Das ist ihr Neuer? Das ist Phillip? Der ist doch mindestens siebzig!
    Völlig verwirrt schüttele ich ihm die Hand, die trocken und papierartig ist, wie die von Grandpa, und bringe eine kleine Konversation über das Wetter zustande. Aber dabei stehe ich komplett unter Schock.
    Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich habe nichts gegen alte Leute. Ich habe gegen niemanden etwas. Ich glaube, dass alle Menschen gleich sind, schwarz oder weiß, männlich oder weiblich, jung oder …
    Aber er ist ein alter Knacker! Er ist alt !
    »Ist er nicht reizend?«, sagt Katie zärtlich, als er Drinks holen geht. »Er ist so fürsorglich. Ihm ist keine Mühe zu viel. So einen Freund hatte ich noch nie!«
    »Ich glaub’s nicht«, sage ich mit etwas belegter Stimme. »Wie groß ist der Altersunterschied zwischen euch?«
    »Weiß nicht genau«, sagt Katie überrascht. »Ich habe ihn gar nicht gefragt. Warum?«
    Sie strahlt und ist glücklich und vollkommen arglos. Hat sie nicht gemerkt , wie alt er ist?

    »Einfach so!« Ich räuspere mich. »Und … äh … sag noch mal schnell. Wo habt ihr euch kennen gelernt?«
    »Ach komm, das weißt du doch!«, sagt Katie gespielt tadelnd. »Du hast doch gesagt, ich solle mal woanders Mittagessen, weißt du nicht mehr? Na, und da habe ich einen ganz ungewöhnlichen Laden entdeckt, in einer kleinen Seitenstraße. Kann ich nur empfehlen.«
    »Ist das … ein Restaurant? Ein Café?«
    »Irgendwie nicht«, sagt sie nachdenklich. »Ich habe so was sonst noch nie gesehen. Man geht rein, bekommt ein Tablett in die Hand gedrückt, nimmt sich ein Mittagessen und setzt sich damit an einen der Tische. Und es kostet nur zwei Pfund! Und danach gibt es sogar noch ein Unterhaltungsprogramm. Zum Beispiel manchmal Bingo oder Whist … manchmal auch gemeinsames Singen zum Klavier. Und einmal gab es einen richtigen Tanztee! Ich habe da ganz tolle Leute kennen gelernt.«
    Ich starre sie ein paar Sekunden lang schweigend an.
    »Katie«, sage ich schließlich. »Dieser Laden. Das ist nicht zufällig ein … Seniorenzentrum?«
    »Oh!«, sagt sie erstaunt. »Ähm

Weitere Kostenlose Bücher