Sahnehäubchen: Roman
verkürzten Form vielleicht. Aber in der ausführlicheren Version macht es durchaus Sinn.«
Ich habe heute zum ersten Mal in meinem Leben als Berufstätige tatsächlich einen Tag blaugemacht, sitze auf Finjas Sofa in Wellingsbüttel und versuche, meiner Schwester zu erklären, warum ich so übellaunig bin. Leider versteht sie mich nicht. Was ich ihr nicht ernsthaft vorwerfe: So ganz verstehe ich mich selbst nämlich auch nicht.
»Aber wenn du Dwaine so gut findest, dass es zwischen euch schon knistert, dann kann dir doch völlig egal sein, was Tom über dich denkt«, schlussfolgert meine Schwester messerscharf. Na vielen Dank. So weit war ich auch schon.
»Ist es aber nicht.«
Finja legt den Kopf schief und guckt mich nachdenklich an. »Könnte das gekränkte Eitelkeit sein? Immerhin dachtest du, dass Tom ein bisschen verguckt in dich ist. Dann so direkt gesagt zu bekommen, dass das Gegenteil der Fall ist, kommt natürlich nicht besonders charmant rüber.«
»Nein«, ich schüttle heftig den Kopf, »mit gekränkter Eitelkeit hat das nichts zu tun. Ich finde Tom sehr nett. Also: ich fand. Vielleicht sogar mehr als nur nett. Und bei unserem Elbspaziergang hatte ich schon das Gefühl, dass es zwischen uns geknistert hat. Immerhin hat er mich geküsst.«
»Und wieso hast du dann Dwaine geküsst?«, hakt Finja nach. »Wenn es doch mit Tom geknistert hat und du Dwaine immer doof fandst? Es tut mir leid, das kapier ich einfach nicht.«
Ich seufze und überlege, wie ich Finja meinen plötzlichen Meinungswandel über Dwaine erklären kann, ohne ihr zu erzählen, dass er in Wirklichkeit Nils ist.
»Ich verstehe es ja selbst nicht. Tatsache ist, dass Dwaine doch netter ist, als ich ursprünglich dachte. Man kann sich sogar richtig gut mit ihm unterhalten. Und ein leckeres Kerlchen ist er auch.«
»Meine Worte! Und zwar von Anfang an! Ich habe nie verstanden, warum du bei ihm immer so anti warst. Dann freu dich doch einfach darüber, dass die Sympathie ganz offensichtlich gegenseitig ist, und genieße es. Über Tom brauchst du dir unter diesen Umständen wirklich keine Gedanken mehr zu machen.«
Wahrscheinlich hat Finja recht. Und vielleicht ist die Vermutung mit der gekränkten Eitelkeit auch nicht ganz so verkehrt?
»Unabhängig davon fand ich es einfach unmöglich, dass Tom nachts bei mir aufkreuzt, um mir zu sagen, dass er nicht auf mich steht«, beschwere ich mich. »Sind das etwa Manieren?«
»Er wollte eben ehrlich mit dir sein und hatte vielleicht Angst, dass du dich da in etwas verrennst. Immerhin hast du ihm nachts gemailt.«
»Ja, und was meinst du, wie unglaublich peinlich mir das jetzt ist. Ich wünschte, ich hätte ihm nicht geschrieben.«
»Siehst du: eben doch gekränkte Eitelkeit. Hak die mal ab. Widme dich lieber Dwaine.« Sie sieht mich neugierig an. »Wie soll es denn da weitergehen?«
Ich zucke mit den Schultern. »Keine Ahnung. Wenn ich ehrlich bin, habe ich vor unserem nächsten Treffen schon ein bisschen Angst. Wenn das doof wird, kann ich nicht mal abhauen – schließlich muss ich noch einen Abend mit ihm professionell über die Bühne bringen. Im wahrsten Sinne des Wortes.«
»Es wird schon nicht doof werden. Ich finde, dass es eigentlich nach den optimalen Rahmenbedingungen klingt: Nur ihr beiden, fern der Heimat, Romantik pur …« Finja lächelt so versonnen, als sähe sie sich selbst in den Armen eines schönen Unbekannten und im Hintergrund versänke die Sonne in der Karibik. Ich räuspere mich.
»Apropos Romantik pur: Wie geht es eigentlich dir und Alex? Alles wieder im Lot?«
»Ooch«, sagt Finja gedehnt, »so weit alles in Ordnung im Moment …«
»Was soll das heißen?«, insistiere ich. »Nun lass dir nicht alles aus der Nase ziehen. Los, erzähl schon!«
»Also«, beginnt meine Schwester, »als ich nach Hause zurückgekommen bin, war Alexander ganz klein mit Hut. Keine Vorwürfe, keine Fragen, wo ich eigentlich war. Wir haben uns dann in Ruhe zusammengesetzt und geredet. Und ich habe ihm gesagt, dass ich vorhabe, wieder an die Hochschule zu gehen, weil mir hier sonst die Decke auf den Kopf fällt. Ich weiß selbst, dass mir für Konzerte momentan die Übung fehlt. Aber ich denke, dass mein alter Professor sicher nichts dagegen hat, ein bisschen mit mir zu arbeiten und mich in Form zu bringen.«
»Und was hat Alexander dazu gesagt?«, will ich wissen.
»Dass er mich voll und ganz dabei unterstützen wird. Und dass wir uns, wenn ich wieder arbeite, ein Au-Pair-Mädchen
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