Sahnehäubchen: Roman
»unvergesslichen Abends«? Vergessen werden wir dieses arme Würstchen, geplagt von Mutterkomplexen oder Erektionsproblemen, wahrlich nicht. Sondern in Erinnerung behalten als hoffentlich Letzten seiner Art. Seine Aufreißtipps mögen vielleicht auf einer texanischen Schafweide funktionieren, sind aber ansonsten nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt wurden. Sorry, Dwaine, zum Abschied können wir nur leise sagen: Ami, go home!
So viel zum Thema »Auch schlechte Presse ist gute Presse«. Viel schlimmer geht’s wohl kaum. Aber egal: Nach Susannes Theorie wird der Verlag überglücklich sein, wenn ich ihm diesen Artikel schicke. Ich lasse die Zeitung sinken und starre einen Moment wie betäubt an die gegenüberliegende Bürowand. In diesem Moment klingelt das Telefon.
»Frau Seefeld, hier Salchow vom Weidner-Verlag«, donnert es mir entgegen. »Ich lese gerade den Spiegel der Frau. Und dabei falle ich von einer Ohnmacht in die andere!«
Offenbar teilt er Susannes Theorie nicht. Er ist richtig laut. Man könnte sagen, er brüllt.
»Wie konnten Sie auf die hirnverbrannte Idee kommen, unseren Autor mit der Redakteurin einer Frauenzeitschrift loszuschicken? Das musste doch in die Hose gehen. Haben Sie das Buch etwa nicht gelesen?«
»Natürlich habe ich das Buch gelesen«, verteidige ich mich mit ruhiger Stimme, obwohl ich innerlich zittere. »Und ich habe Ihnen doch gesagt, dass wir eine Aktion planen, bei der …«
»Sie haben gesagt, es wird eine lustige, stimmungsvolle Reportage über Dwaine auf der Pirsch«, schneidet Salchow mir das Wort ab. »Stattdessen haben wir hier einen Verriss, aus dem hervorgeht, dass es sich bei unserem Autor um ein männliches Chauvinistenschwein handelt, das noch dazu in völliger Überschätzung der eigenen Wirkung verzweifelt wahl- und erfolglos Frauen anbaggert!«
Darauf muss ich nun natürlich mit einer Knalleraussage antworten, um ihm den Wind aus den Segeln zu nehmen. »Ja, also, äh …« Okay, das übe ich noch mal.
»Ich frage Sie, Frau Seefeld: Halten Sie das etwa für verkaufsfördernd?«
»Auch schlechte Presse ist gute Presse!«, zitiere ich Susanne. »Und immerhin enthält der Artikel auch einen deutlichen Hinweis auf das Buch.«
Salchow scheint das nicht zu überzeugen. »Ich erwarte von Ihnen bis morgen ein schlüssiges Konzept, wie es mit der Pressearbeit für dieses Buch weitergehen soll, denn sonst sehe ich unsere Zusammenarbeit als beendet an. Das bisherige Ergebnis ist schlicht eine Katastrophe, Frau Seefeld, haben wir uns verstanden? Guten Tag!« Er legt auf.
Mein Kopf sinkt auf die Tischplatte. Warum muss so etwas ausgerechnet mir passieren? Ich habe doch nichts verbrochen, ich lästere Gott nicht, ich ehre Vater und Mutter – okay, Papa ist tot, und Mama, nun ja …
Nach einer Weile rapple ich mich wieder auf und wanke aus meinem Zimmer. An meinem Ziel angekommen, straffe ich meine Haltung, um nicht so mickrig auszusehen, wie ich mich gerade fühle. Dann trete ich möglichst energisch und schwungvoll in Tom Weidners Zimmer. Der sitzt ganz entspannt hinter seinem Schreibtisch und scheint irgendein privates Telefonat zu führen. Jedenfalls verabschiedet er sich hastig, als er mich sieht, und legt einigermaßen schuldbewusst auf.
»Weidner, jetzt haben wir den Salat. Ich weiß nicht, ob Sie heute schon Zeitung gelesen haben. Herr Salchow hat es jedenfalls bereits getan. Und was er gelesen hat, hat ihm nicht gefallen. Man könnte auch sagen, er hatte den Kaffee schon am frühen Morgen wieder oben.« Ich seufze. »Er erwartet ein neues Pressekonzept. Bis morgen. Während ich nun über ein solches meditiere, machen Sie Folgendes: Sie schnappen sich ein Telefon und rufen sämtliche Redaktionen an, denen wir das Buch noch geschickt haben. Und die fragen Sie, ob sie eine Geschichte mit Dwaine machen wollen. Vielleicht haben wir dann morgen irgendetwas Greifbares in den Händen, wenn wir bei Salchow vorsingen müssen.«
»Und wenn niemand etwas machen will?«, fragt unser Volontär vorsichtig.
»Dann müssen wir darauf vertrauen, dass mir innerhalb der nächsten Stunden noch ein geniales neues Konzept einfällt. Und wenn das auch nicht der Fall ist, müssen wir darauf vertrauen, dass es schon nicht so schlimm kommen wird, da der Hauptschuldige an dem Desaster«, ich durchbohre ihn mit meinem Blick, »der Sohn des Verlegers ist.«
Tom Weidner zuckt merklich. Egal. Geschieht ihm recht!
Die nächsten Stunden verbringe ich damit, an meinem Bleistift
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