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Sakramentisch (German Edition)

Sakramentisch (German Edition)

Titel: Sakramentisch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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und
setzte sich in die zweite Reihe. Er strich vorsichtig das nasse weiße Haar der
einen Oberseite glatt, als wolle er es kleben. Die Strähnen auf der anderen
Seite standen frech und feucht in die Höhe.
    Dass Werner das linke Ohr fehlte, war Hadi noch nie so aufgefallen
wie jetzt. Er breitete eine Karte auf dem langen Vortragstisch aus und beugte
sich darüber.
    Werner trat neben ihn.
    »Hör zu«, sagte Hadi. »Ich habe einen Plan.«
    »Was ist eigentlich mit dem Artur?«, fragte Werner dazwischen. »Ist
der noch mit dabei?«
    Statt einer Antwort zückte Hadi sein Mobiltelefon und rief Artur an.
Er drückte die Lautsprechertaste, damit der andere mithören konnte.
    »Hi, Artur, wie geht’s dir?«
    Heftiges Räuspern und Schnauben. »’tschuldige. Ich glaub, ich hab
mir eine Erkältung eingefangen. Aber die setzt mir nicht zu. Also, gut geht’s
mir. Sakramentisch guat. Wie einer Forelle nach dem Ausnehmen. Hahahaha.«
    Hadi warf Werner einen vielsagenden Blick zu, der so viel heißen
sollte wie: A Hund isser scho. Und Humor hat er.
    »Außer der Erkältung geht’s dir also gut? Du hast deine geistigen
und körperlichen Kräfte voll im Griff? Also bist du dabei. Bitte bestätige,
Werner steht neben mir. Du bist dabei?«
    »I bin dabei. Und wia I dabei bin! Ohne mi kennts ihr zwoa
iberhaubt nix ofanga!«
    Der Konferenzraum Kleiner Traithen war ausgestattet wie jeder andere
Konferenzraum eines besseren Hotels auch. Schlichte Stühle mit gepolsterter
Sitzfläche, Rednerpult, Magnet- und Pinnwand, ein Laptop stand herum, ein
geöffneter schwarzer Aktenkoffer ohne Inhalt. An der den Fenstern abgewandten
Seite stand ein wuchtiger Schrank mit Walnussfurnier und geschwungenen Füßen.
Ein Teil der Vorderwand war aufgeklappt und diente als Schreibpult. Im Inneren
waren einige mit rotem Samt bezogene Fächer für Briefpapier und Stifte. Das
beherrschende Element aber war die Spiegeltür an der Oberseite. Das alte
Spiegelglas reflektierte ein verschwommenes, verzerrtes Bild des Saals. Das war
ungewöhnlich und passte so gar nicht in den nüchternen Raum.
    Hadi Yohl setzte sich Werner Stuffer gegenüber und erklärte ihm die
Sache mit der inhorgenta. Dass ein Überfall dort lohnte, leuchtete Werner auf
den ersten Blick ein. Dass es äußerst kompliziert, wenn nicht unmöglich war,
auch.
    »Warum sind wir dann hier?«, fragte er.
    »Deswegen!«
    Hadi ließ die geballte Faust wie einen Hammer auf die Karte fallen.
Es war ein ewig langes Messtischblatt im Maßstab 1:25.000, welches die Gegend
zwischen Rosenheim, Bad Aibling, Grafing, Ebersberg und München darstellte.
Eine Karte, auf der vier Zentimeter einem Kilometer in der Natur entsprachen,
die daher übersichtlich war und bei Wanderern sehr beliebt. Er erläuterte
seinen Plan. Besonders auf das Wegenetz nördlich von Schloss Maxlrain schien
sein spezielles Interesse gerichtet.
    Werner war Feuer und Flamme. »Ich kümmere mich um das
Fluchtfahrzeug«, rief er begeistert aus. Er führte sich auf wie ein Kind, das
ein neues Spiel geschenkt bekommen hatte. »Da hab ich zwei Mandanten, die
kennen sich aus.«
    Hadi hob die Hand. »Vorsicht, Kamerad! Wir weihen um Gottes willen
keine Dritten ein. Wenn wir was machen, dann machen wir es selbst. Drei
Eingeweihte reichen. Alles andere wäre tödlich.«
    Werner blähte die Backen auf. »Klar doch! Ich hol mir die
Informationen, die ich brauche. Kleine Betriebsanleitung zum Autoklau. Keine
Angst. Von mir erfährt kein Schwanz ein Wort!«
    Trotzdem war Hadi besorgt. Die Dimension, in der sie sich bewegten,
war haarsträubend neu. Jeder der drei war gut auf seinem Gebiet. Doch das hier
war vermintes Terrain.
    In der nächsten Sekunde lief es ihm kalt über den Rücken.
    Er war an den alten Schrank gegangen und in Gedanken mit der Hand
über das kalte, glatte Holz gefahren. Dabei fiel sein Blick auf ein farbiges Hochglanzheft,
das offen auf der heruntergeklappten Lade lag. Fünf Frauengesichter und -körper
waren auf der aufgeschlagenen Seite abgebildet, als ob sie lebten.
    Pauline! Polín! Sie stand im Mittelpunkt des Hochglanzfotos. Ein
strahlendes Lächeln, die funkelnden grünblauen Augen mit der goldenen Iris, die
Deckungsgleichheit, die Symmetrie ihrer beiden Gesichtshälften. Auf dem Bild
war sie noch schöner, als er sie in Erinnerung hatte. Polín war die einzige
Europäerin unter Asiatinnen auf einer Werbeseite für japanische Gesichtscreme.
Und diese Frau hatte ihn mit dem Schlitten über den Haufen gefahren und mit
ihrem

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