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Sakramentisch (German Edition)

Sakramentisch (German Edition)

Titel: Sakramentisch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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zurück.
    »Warum ich das frage? Heute ist Sonntag, und du treibst dich bei
deiner geliebten Polizei herum. Bestimmt hast du mit irgendwelchen
Sekretärinnen geflirtet, oder Assistentinnen, wie sie heute heißen. Du, der
Pensionär, der in Pantoffeln hier zu Hause hinterm Ofen sitzen sollte. Wenn ich
mit dir rede, tust du so, als würdest du zuhören, und grunzt dann nur irgendwas
Unverständliches vor dich hin! So wie jetzt auch wieder!«
    Ottakring traute seinen Ohren nicht. War das seine Lola, die so mit
ihm sprach? Die liebenswerte Frau, die er geheiratet hatte, weil er sie liebte?
    Vor Tagen hatte sie erklärt, es störe sie, dass er sich so lange im
Bad rumtreibe und immer die Zeitung mitnähme. Anfangs hatte er gelacht und
gemeint, sie sei kindisch. Doch als sie den Vorwurf am nächsten und am
übernächsten Tag wiederholte, nahm er sie ernst und ließ die Zeitung weg.
    Ihre Vorwürfe – »Der Müll steht noch immer vor der Tür! Du wechselst
deine Unterhosen nur dreimal wöchentlich! Wann lässt du dir endlich die Haare
schneiden?« – rissen nicht ab.
    Ottakring verteidigte sich kaum noch. Ihm fiel ein französischer
Film ein, den er einmal auf ARTE gesehen hatte.
Es ging um ein junges Paar, das so lange glücklich war, bis die Frau von einem
Nachbarn eine exotische, gummibaumähnliche Pflanze geschenkt bekam, die
angeblich sehr sensibel war und Stimmungsschwingungen spürte. Bei positiven
Schwingungen wuchsen ihre Blätter unglaublich schnell und stark, bei negativen
fielen sie zusammen. Schnell merkte der Mann, dass der Ficus tatsächlich so
reagierte. Jedoch nur auf Stimmungsschwingungen ihr, der Pflanze selbst,
gegenüber. Fühlte sie sich vernachlässigt, bestrafte sie die Frau mit gelben,
hängenden Blättern. Sie schenkte ihr immer wieder neue, strahlende Blätter,
sobald sie regelmäßig gegossen wurde, die Frau mit ihr redete und sich in ihrer
Nähe aufhielt.
    Schließlich schlief die Frau mit ihrem Gummibaum im selben Zimmer,
um seine Gunst zu gewinnen und zu behalten. Mit der gleichen Intensität
vernachlässigte sie ihren Mann. Das Ende war, dass die Frau unter der Pflanze,
die inzwischen den gesamten Raum überwuchert hatte, starb, der Mann die Pflanze
verbrannte, das Haus aufgab und wegzog.
    Besessenheit, das war das Thema gewesen. Die Frau war von dem Ficus
besessen wie von einem bösen Dämon. Freilich, eine Parabel. Doch ebenso
besessen kam ihm Lola vor. Besessen und höchst ungerecht und aggressiv. Wie die
Frau im Film ihrem Mann gegenüber von dem Zeitpunkt an, als sie der Pflanze
hörig geworden war.
    Wem zum Teufel war Lola hörig geworden?

ELF
    Hadi Yohls Telefonat mit Werner Stuffer war kurz und
ergiebig gewesen. Er hatte eine Idee, weigerte sich aber, nähere Fragen zu
beantworten.
    »Du musst es dir selbst ansehen«, hatte er gesagt. »Schwing dich in
dein Auto und komm her.«
    »Geht nicht«, sagte Werner.
    »Warum nicht? Geht nicht, gibt’s nicht.«
    »Du hast es selbst angeordnet. Kein Treffen untereinander. Du bist
der Boss.«
    Oh, oh! Eins zu null für Werner.
    »Okay. Besondere Gelegenheiten erfordern – na ja, du weißt schon.
Also was ist?«
    Das Wetter hatte am Abend zuvor gewechselt. Schnee war vorhergesagt
gewesen, doch es kam völlig anders. Graue, windgepeitschte Regenschauer,
Sturzbäche, die sich vom Überhang des Ziegeldachs auf dem Hotel Garstiger Bär
nach unten ergossen und mit lautem Gurgeln den Rinnstein der schmalen
Anfahrtsstraße hinabfluteten.
    Hadi fühlte sich für das Wetter persönlich verantwortlich. »Das tut
mir leid, Werner«, sagte er. »Ist heute kein besonders schöner Anblick.«
    Er war ihm entgegengefahren. Er wollte nicht, dass Werner in den
Garstigen Bär kam. Doch sie hatten sich verfehlt.
    »Wegen deiner schlechten Wegbeschreibung«, schimpfte Werner, am
Hotel angekommen. Sein Birnenkopf schwebte über den schmalen Schultern wie der
Vollmond über dem Inntal mit Blick nach Süden.
    »Weil du null Orientierungssinn hast«, bellte Hadi zurück.
    Da sie nun schon einmal am Hotel waren, beschloss er, in die
Tiefgarage zu fahren. So konnten sie den Konferenzraum Kleiner Traithen mit dem
Lift wenigstens trockenen Fußes erreichen. Den Kleiner Traithen hatte Hadi
schon vor Tagen ausgewählt, falls es einmal zum Äußersten kommen sollte. Zu
einem internen Meeting. Der Raum war von innen abschließbar.
    Werner glitt elegant durch die Tür. Sein Kegelformkopf wankte, aber
fiel nicht. Unternehmungslustig schwang er ein Bein über eine Stuhllehne

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