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Sakramentisch (German Edition)

Sakramentisch (German Edition)

Titel: Sakramentisch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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dieser Beschreibung zur
Fahndung ausschreiben würden, wäre hinterher die gesamte männliche Rasse
Oberbayerns entvölkert.
    Fürs Erste war dieses Gespräch beendet. Aus Karl Schmetterer war
nicht mehr herauszuholen. Er hatte nichts gesehen, nichts gehört,
wahrscheinlich auch nichts gerochen. Nicht einmal die italienischen
Alkoholfahnen.
    »Seltsam«, sagte Chili.
    Der kleine Besprechungsraum lag ein Stockwerk über dem
Vernehmungsraum, den Chili Toledo für Karl Schmetterer benutzt hatte. Chili
hatte Rico Stahl und den anderen gerade ihre Befragung des Fahrers geschildert,
als die Tür zum Besprechungsraum sperrangelweit aufgerissen wurde und gegen die
Wand krachte. Herein schlenderte mit den Händen in den Hosentaschen der
Kriminalrat Joe Ottakring. Er machte eine flüchtige Verbeugung.
    »Störe ich?«, fragte er, wartete aber eine Antwort nicht erst ab.
»Seltsam ist das«, wiederholte er Chilis letzte Bemerkung. »Wieso ist das
seltsam? Dass ich nicht lache. Habt ihr schon einmal sein Strafregister
gecheckt?«
    Bei normalem Klima wäre Rico an dieser Stelle eingeschritten. (»Herr
Ottakring! Verehrter Kollege, was machen Sie denn hier? Sie sehen doch, wir
sind beschäftigt.«) Stattdessen nahm sein Gesicht die Farbe einer kubanischen
Justizvollzugsanstaltswand an. Chili wurde blasslila, und auch die anderen zwei
sahen plötzlich aus, als stünden sie kurz vor dem dritten Schlaganfall.
    »Der Mann ist zweimal vorbestraft«, sagte Ottakring weiter. »Er war
Investmentbanker in Frankfurt und kam mit wilden Spekulationen auf Kosten
seines Arbeitgebers unter die Räder. Mit der Barclays Bank hat es zwar keinen
Armen getroffen, aber was er tat, war eben kriminell. Nur weil er der Sohn
eines Stiefbruders seines jetzigen Chefs ist, hat der ihn als Fahrer
eingestellt. Auf Probe. Der kann sich nichts mehr leisten. Kein Wunder, dass er
vorsichtig mit irgendwelchen Aussagen ist.«
    Ottakring sagte es ohne Sarkasmus oder Schadenfreude.
    Ricos Auge blieb auf Chili geheftet. Ottakring schien er nicht zu
bemerken. »Mehr konnten Sie also nicht aus ihm herausholen, Frau Toledo«, sagte
er mit sanfter Stimme. Keine Frage. Eine Feststellung.
    »Nein. Mehr konnte ich nicht aus ihm herausholen.«
    Ricos Blick wurde hart wie Kieselstein. »Und die Vorstrafen haben
Sie nicht vorher überprüft.«
    »Nein.«
    Ricos Augen schlenderten über ihr Gewand. »Vielleicht hätten Sie
besser eine Modeboutique aufmachen sollen. Damit hätten Sie der Menschheit mehr
geholfen.«
    Chili hatte es geahnt, dass er es ihr heimzahlen würde. Trotzdem
musste sie schlucken. Sie äugte kurz zu Ottakring. Der stand unbeweglich da,
die Hände noch immer in den Taschen vergraben. Nur seine Miene sprach zu ihr.
    »Hätten Sie es besser gemacht?«, fragte Chili ihren Chef in
sachlichem Ton.
    »Nein.«
    Ups! Die Antwort kam wie ein Überfall.
    »Na, sehen Sie. Also sind Sie reif für einen Job als Top-Verkäufer
in einem Krawattenstudio.«
    Ricos Mundwinkel machte einen Sprung nach oben. Das sollte ein
großzügiges, verzeihendes Lächeln andeuten. Dann wandte er sich seinem
Vorgänger zu. Das zaghafte Lächeln verwandelte sich in tiefe Finsternis.
    »Fein, Herr Ottakring«, sagte er, »dass Sie uns helfen wollen. Aber
ich denke, wir schaffen’s auch ohne Ihren Beistand. Das kleine Versehen werden
wir überleben. Würden Sie sich also bitte wieder Ihrem Pensionistenleben
zuwenden?«
    Ottakring verzog auch diesmal keine Miene. »Was meinst du, Chili?«,
fragte er.
    Die junge Frau im mädchenhaften Kleid warf die Haare nach hinten.
Der Zorn verschaffte ihr eine höchst weibliche Note.
    »Willst du uns hier vorführen?«, blaffte sie Ottakring an. Ihre
Zahnreihen blieben beim Sprechen geschlossen. Nur ein Zischen war zu hören.
    »Kommst herein und fütterst uns mit Informationen, die mit
Sicherheit schon lange auf meinem Schreibtisch liegen. Ich komm nur nicht dazu,
sie zu lesen. Was bist du doch für ein Gscheiderle!«
    Umständlich zerrte Ottakring die Hände aus den Taschen und
verschränkte die Arme vor der Brust. Die Schultern ließ er hängen. »Ach, weißt
du, Chili, ich hab doch niemanden, mit dem ich … Danke. Danke Ihnen allen. Mir
ist jetzt schon leichter in der Brust.«
    Geduckt machte er auf dem Absatz kehrt und ging hinaus.
    Angstvoll zog sich Chilis Herz zusammen. Was war in den Ottakring
gefahren? War der narrisch geworden?
    Bruni, Chef der Spurensicherung, und die anderen zwei sahen sich an.
    »Im Flughafentaxi«, meinte Bruni, »war bisher

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