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Salambo

Salambo

Titel: Salambo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Augenblick wankte Hamilkar, dann suchten seine raschen Augen Schahabarim. Der Priester der Tanit war allein auf seinem Platze verblieben, aber Hamilkar erblickte von weitem nichts als seine hohe Mütze. Die Versammlung lachte dem Sufeten höhnisch ins Gesicht. Je mehr seine Erbitterung wuchs, umso größer wurde ihre Freude, und inmitten des Spottgeschreis riefen die hinten Stehenden:
    â€žMan hat einen aus ihrem Gemach kommen sehen!“
    â€žEines Morgens im Monat Tammuz!“
    â€žEs war der Räuber des Zaimphs!“
    â€žEin sehr schöner Mann!“
    â€žGrößer als du!“
    Hamilkar riss sich die Tiara vom Kopf, das Zeichen seiner Würde, seine Tiara mit acht symbolischen Reifen, die in der Mitte eine Rosette aus Smaragden trug, und schleuderte sie mit beiden Händen aus Leibeskräften zu Boden. Die goldenen Kronen zersprangen und prallten hoch, und die Perlen schlugen klingend auf die Fliesen. Jetzt konnte man auf seiner bleichen Stirn eine lange Narbe erblicken, die sich wie eine Schlange zwischen seinen Augenbrauen hin ringelte. Alle Glieder zitterten ihm. Er stieg eine der Seitentreppen empor, die auf den Altar führten, und betrat ihn. Damit deutete er an, dass er sich dem Gotte weihte, sich zum Opfer anbot. Sein Mantel flatterte und brachte die Lichter des Kandelabers ins Flackern, der sich jetzt zu Hamilkars Füßen befand, und der feine Staub, den seine Tritte aufwirbelten, umhüllte ihn bis zu den Lenden wie eine Wolke. Zwischen den Beinen des ehernen Kolosses blieb er stehen. Er nahm zwei Hände voll von der Asche, deren bloßer Anblick alle Karthager vor Entsetzen erbeben ließ, und sprach:
    â€žBei den hundert Fackeln eures Geistes! Bei den acht Feuern der Erdgeister! Bei den Sternen, den Meteoren und Vulkanen! Bei allem, was brennt! Beim Durste der Wüste und dem Salze des Meeres! Bei der Höhle von Hadrumet und dem Reich der Seelen! Bei dem Ende aller Dinge! Bei der Asche eurer Söhne und der Asche der Brüder eurer Ahnen! Ihr, der Rat der Alten von Karthago, ihr habt gelogen, als ihr meine Tochter angeklagt habt! Und ich, Hamilkar Barkas, der Sufet des Meeres, der Erste der Patrizier und der Herrscher des Volkes, ich schwöre vor Moloch dem Stierköpfigen ...“ Man erwartete etwas Entsetzliches, doch er fuhr mit lauter und ruhiger Stimme fort: „... dass ich nicht einmal mit ihr darüber reden werde!“
    Die Tempeldiener, goldene Kämme im Haar, traten ein, mit Purpurschwämmen und Palmzweigen. Sie hoben den hyazinthblauen Vorhang auf, der vor die Türe gespannt war. Durch die Öffnung erblickte man im Hintergrund den weiten rosenroten Himmel, der die Wölbung der Decke fortzusetzen schien und sich am Horizont auf das tiefblaue Meer stützte. Die Sonne erhob sich aus den Fluten und stieg empor. Ihre Strahlen trafen die Brust des Kolosses. Sein von roten Zähnen starrender Rachen tat sich in schrecklichem Gähnen auf. Seine ungeheueren Nasenflügel erweiterten sich. Das helle Licht belebte ihn und verlieh ihm ein furchtbares, lauerndes Aussehen, als ob er sich hinausstürzen wollte, um sich mit dem Gestirn, dem Gott, zu vereinen und mit ihm zusammen die Unendlichkeit zu durchstürmen.
    Die umgerissenen Fackeln brannten inzwischen weiter, und ihr Widerschein goss hier und dort auf die Perlmuttfliesen rote Flecke wie von Blut hin. Die Alten taumelten vor Ermattung. Sie atmeten die frische Luft mit vollen Zügen. Schweiß rann über ihre bleigrauen Lippen. Sie hatten alle so viel geschrien, dass sie einander nicht mehr verstanden. Aber ihr Zorn gegen den Sufeten war nicht erloschen.
    Zum Abschied drohten sie ihm: „Auf Wiedersehen morgen Nacht, Barkas, im Tempel Eschmuns!“
    â€žIch werde da sein!“
    â€žWir werden dich durch die Hundertmänner verurteilen lassen!“
    â€žUnd ich euch durch das Volk!“
    â€žNimm dich nur in acht, dass du nicht am Kreuz endest!“
    â€žUnd ihr, dass ihr nicht in den Straßen zerrissen werdet!“
    Sobald sie sich auf der Schwelle des Hofes befanden, nahmen sie wieder eine ruhige Haltung an.
    *
    Die Läufer und Wagenführer erwarteten ihre Herren am Tor. Die meisten Gerusiasten ritten auf weißen Maultieren davon. Der Sufet sprang in seinen zweirädrigen Wagen und ergriff selbst die Zügel. Die beiden Rosse trabten im Takt über die aufspringenden Kiesel. Die ganze Straße der Mappalier hinan galoppierten sie.

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