Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sally

Sally

Titel: Sally Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Päsler
Vom Netzwerk:
Eine Zahnspange für Anke. Eine Schultüte für Georg. Irgendwann würde dann wieder alles vorbei sein und eine neue Ewigkeit würde beginnen.
    Mario würde mich nicht fragen, woher das Geld kam. Er zog mit Heinz um die Häuser oder absolvierte Termine, bei denen außer verschwitzten Klamotten, die ich in der Wäsche fand, nicht viel herauskam. Mein Vater hatte immer gesagt, er würde notfalls zur Spitzhacke greifen, um im Straßenbau für seine Familie zu arbeiten, doch derlei Ambitionen fehlten Mario. Den Überlebenskampf überließ er mir und ich führte ihn nun auf meine Art. Ich würde Mario jeweils sagen, dass ich mit LinnerthTermine in Wien hätte und dass er solange auf die Kinder aufpassen sollte. Schließlich hatte meine private, nicht aber meine berufliche Beziehung zu Linnerth geendet. Wir klapperten noch immer zusammen Apotheken ab, auch wenn unser Umgang miteinander dabei merklich abgekühlt war und mir die Treffen unangenehm waren. Aber es nützte nichts. Die Rechnungen stapelten sich. So nahm ich Linnerth gegenüber eine scheinbar gleichgültige Haltung ein, damit unsere Zusammenarbeit reibungslos weiterlaufen konnte. Mario würde als Babysitter unwissentlich, aber doch ein wenig zu unserem Unterhalt beitragen. Mario – mein Ehemann in guten wie in schlechten Zeiten.
    Als ich am Abend heimkam, war ich ausnahmsweise einmal froh darüber, dass er nicht da war.

3
    APRIL 2009. »Hey, du!«
    Der schwarze BMW fuhr im Schritttempo neben mir her.
    »Auf die Gefahr hin, dass du mir eine Ohrfeige verpasst: Wenn ich dir zweihundert Euro gebe, begleitest du mich dann ins Hotel?«
    Der Mann, in dessen hässliches Gesicht ich durch das heruntergelassene Seitenfenster sah, grinste. Er sah wie ein Alkoholiker aus, seine Zähne waren ungepflegt, sein langes dunkles Haar teilweise ergraut. Er war sicher jenseits der sechzig. Es lag mir normalerweise fern, Menschen nach ihrem Äußeren zu beurteilen, aber es war schon erstaunlich, wie hässlich dieser Kerl war.
    »Wie bitte?«, sagte ich.
    Sah ich etwa aus wie eine Nutte? Ich war gekleidet wie eine Hausfrau und Mutter im Alltag und schwang weder die Handtasche noch die Hüften.
    »Unter hundert Frauen erkenne ich euch«, sagte er. »Entweder kriege ich jetzt die Ohrfeige, oder ich komme in zwanzig Minuten wieder, und wenn du dann noch da bist, gehst du mit mir mit.«
    Das Fenster schloss sich schneller als mein Mund. Der Wagen fuhr an und bog ein bisschen zu rasch um die Ecke.
    Das hatte gesessen.
    So ein Dreckskerl. Was erlaubte er sich, so mit mir zu reden?
    Hastig blickte ich mich um. Außer dem Portier des gegenüberliegenden Hotels war weit und breit niemand zu sehen. Ich öffnete den kleinen Spiegel in meiner Handtasche und warf unauffällig einen Blick hinein. Ich fühlte mich dabei, als könnte mich im nächsten Moment etwas aus dem Hinterhalt anspringen. Aus dem Spiegel starrte mich mein eigenes Gesicht an. Meine Züge wirkten angespannt und verhärtet unter dem kunstvoll aufgetragenen Make-up. Meine verängstigten Augen begegneten mir mit einer unausgesprochenen Frage: Sah so eine Nutte aus?
    Der Typ im BMW hatte vielleicht einfach geraten, weil ich vor einem Stundenhotel stand. Mein zweiter Kunde hatte mich dorthin bestellt. Vermutlich gingen hier nicht nur Geschäftsleute ein und aus, die sich vor und nach ihren Meetings umziehen wollten. Aus dem Internet wusste ich, dass es auch Zimmer mit Whirlpool gab sowie eines mit Himmelbett.
    Das Hotel gefiel mir nicht. Die Portiere lugten ab und zu neugierig in meine Richtung, während ich auf meinen Kunden wartete, der schon längst überfällig war. Ich war nervös. Die dreihundert Euro hatten sich nur als Tropfen auf den heißen Stein erwiesen. Wir waren noch eine Nachzahlung für Strom und Gas aus dem Vorjahr schuldig und die laufenden Rechnungen konnten wir auch nicht begleichen. Irgendwann würde das Licht nicht mehr angehen, wenn ich beim Heimkommen auf den Schalter drückte, und die Kinder würden frierend im Dunkeln weinen.
    Nachdem die Sache mit dem alten Mann so reibungslos verlaufen war, hatte ich die Seiten im Internet weiter durchforstet. Ich war schnell fündig geworden. Alle Anzeigen, die spezielle Wünsche andeuteten, ignorierte ich. Jene des alten Herrn im Fasanviertel hatten mich gewarnt.
    Mein zweiter Kandidat konnte mich nicht zu Hause empfangen und ich ihn natürlich auch nicht bei mir. Er hatte dieses anonyme Stundenhotel vorgeschlagen und jetzt ließ er mich offenbar sitzen. Dabei hatte ich

Weitere Kostenlose Bücher