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Sally

Sally

Titel: Sally Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Päsler
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Mario erfolgreich als Babysitter eingeteilt, meinen Zeitplan für die ganze Woche mühsam auf diesen Termin abgestimmt und war siebzig Kilometer bis hierher gefahren. Die Zeitungen schrieben im Moment zwar manchmal, dass sich die Wirtschaft wieder erholen würde, doch darauf gab ich nichts mehr. Denn erstens stand am darauffolgenden Tag oft schon wieder das genaue Gegenteil in der Zeitung, und zweitens brauchte ich das Geld jetzt, jetzt sofort.
    Als der schwarze BMW wieder neben mir hielt, kam ich seinem Fahrer zuvor.
    »Wie viel zahlst du?«
    »Hundertsechzig«, brummte der Mann hinter dem Steuer zufrieden.
    »Du bist so hässlich, da musst du noch einen Hunderter drauflegen.«
    Das war dreist. Aber das war seine Sprache. Und es war die Wahrheit. Sein deformiertes, verlebtes Gesicht hätte in eine Geisterbahn gepasst, und er sah nicht wie ein Typ aus, der sich allzu viele Illusionen über sein Äußeres machte.
    »Schon mal etwas von der Wirtschaftskrise gehört?«, knurrte er und sah mich herausfordernd an.
    »Deshalb bin ich hier.«
    Ich lächelte freundlich und wartete.
    Schließlich wedelte er mit drei Hundertern und wenig später fand ich mich mit ihm in einem Zimmer mit Whirlpool wieder. Es kostete achtundsiebzig Euro, die er zusätzlich zu meinen dreihundert im Voraus bezahlte. Dazu kaufte er Jetons für Pornos, die er von Anfang an im Hintergrund laufen ließ. Ich schaute nicht hin, als er sich auszog, fragte ihn aber höflich, ob er mich ausziehen wolle. Er lachte hämisch.
    »Wir sind doch keine Kinder mehr«, meinte er. »Das ist etwas für Verliebte. Du brauchst wirklich nicht auf unschuldig zu machen.«
    Ohne darauf einzugehen, legte ich meine Sachen fein säuberlich zusammen.
    »Leg dich in die Wanne«, sagte er. »Ich komme gleich.«
    Ich wartete im Badeschaum, während er sich Zeit ließ. Schließlich stand er vor mir, nackt und mit einem Etui in der Hand, das wie ein überdimensionales Manikürset aussah. Als der Kerl seelenruhig eine Ampulle und eine Spritze herausnahm, erstarrte ich. Im heißen Wasser brach mir der Schweiß aus. Ich saß fest. Mit beiden Armen umklammerte ich verkrampft den glatten Beckenrand. Meine Fingerknöchel traten weiß durch die dünne Haut hervor. Mein ganzer Körper wehrte sich. Blitzartig scannte ich den Raum und prüfte die Fluchtmöglichkeiten. Der Typ war offenbar pervers. Und er war ziemlich groß. Ich lag nackt und hilflos vor ihm. Etwa siebzig Zentimeter von meinem Kopf entfernt zog er langsam die Spritze auf.
    »Was soll das?«
    Nur keine Angst zeigen. Ich hatte gelernt, meine Angst zu kontrollieren. Auch das hatte mit all den Krankheiten zu tun, die ich in meiner Jugend erdulden musste. Ich durfte zwar mein Mieder früher als alle anderen Miedermädchen für immer ablegen, aber nicht etwa, weil ich früher als sie erwachsen geworden war, sondern weil ich seit einiger Zeit von epileptischen Anfällen gequält wurde. Bei den unvermutet eintretenden Krampfattacken wäre ich in meiner Hartplastikschale womöglich elendiglich krepiert. Es war eine ziemliche Ironie des Schicksals. Die Skoliose hätte mich ohne Mieder ersticken lassen und die Epilepsie mit dem Mieder erst recht. Also wurde nach der Wirbelsäule mein Gehirn zum Ziel umfangreicher Untersuchungen und ausgiebiger Tests. Ein Angiom, ein Knäuel pathologischer Blutgefäße, in meinem Gehirn war für die Anfälle verantwortlich. Um es am Bildschirm des Apparats, der wie das Cockpit eines Flugzeugs aussah, orten zu können, musste ich bei einer Spezialuntersuchung Xenongas inhalieren, als wäre es reiner Sauerstoff. Durch die so entstehenden Farbkontraste konnten die Ärzte die Durchblutung und die Sauerstoffversorgung des Gehirns überprüfen. Doch mein Atmungsapparat wehrte sich vehement gegen das Edelgas. Der Arzt wollte mich überreden, doch unter der Maske hatte ich das Gefühl, auf der Stelle zu ersticken. Schließlich befahl mir der Arzt barsch, ruhig weiterzuatmen. Mir könne nichts passieren. Ich überwand die Angst und ihre körperlichen Reflexe und erstickte nur in meinen Tränen. Damals lernte ich, mir nichts anmerken zu lassen. Wie eine professionelle Schauspielerin konnte ich von da an meine Gefühle verbergen. Bei den unzähligen noch folgenden Untersuchungen wehrte ich mich weder, noch wurde ich hysterisch. Tapfer hielt ich alles aus. Ich ließ die Dinge scheinbar gefasst über mich ergehen – eine Überlebensstrategie, die ich noch immer beherrsche.
    Mit stummem Entsetzen beobachtete ich den

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