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Sally

Sally

Titel: Sally Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Päsler
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aufgesprungen und hatte meinen BH gezeigt. Die alten Männer hatten dann auf meinen Busen geglotzt, während ich ihnen die Windeln gewechselt hatte. Oft hatte ich das Schicksal dieser Aufreißerkönige von anno dazumal traurig gefunden.
    Wenn der Mann aus dem Internet Unmögliches von mir verlangen würde, konnte ich ja einfach wieder gehen, beruhigte ich mich. In Gedanken bereitete ich mich auf alle möglichen Szenarien vor. Sollte er ungewaschen sein, konnte ich das für ihn erledigen. Ich hatte ja schon oft genug ältere Leute gebadet, gewickelt, eingecremt und wie Babys versorgt. Wer das sowie ich jahrelang getan und auch noch zwei Kinder großgezogen hat, denkt sich nichts mehr dabei. Es geht dann einfach um Dinge, die zur Natur des Menschen gehören. Dreihundert Euro hatte ich allerdings nie von einem Pflegling bekommen, und dreihundert Euro waren eine Menge Geld.
    Er wohnte im Wiener Fasanviertel. In dieser Gegend war ich vorher noch nie gewesen und heute erschien mir die ganze Stadt fremd. Ich war sicher, dass jeder, der mich in meinem Wagen mit der Adresse und Telefonnummer meiner Schneiderei sah, sofort wissen musste, was vor sich ging.
    Ich blieb im Auto sitzen und sah mich unauffällig um. Wir wollten uns zunächst auf der Straße treffen, um beide die Möglichkeit zu haben, Nein zu sagen. Als er an mein Autofenster klopfte, stieg ich aus. Ich war so nervös, dass ich ihn nicht richtig ansah. Ich bemerkte, dass er einen völlig kahl rasierten Kopf hatte. Dann ergab ich mich den Ereignissen.
    Zwanzig Minuten später lag ich rücklings auf einem Küchentisch und starrte auf eine große runde Uhr mit dunkelgrauen Zeigern, die an der Wand hing. Laut dieser Uhr stand die Zeit immer zwei Minuten lang still, dann erst sprang der Zeiger weiter. Eine Zwei-Minuten-Ewigkeit folgte auf die nächste. Ewig, dachte ich, das ist ein Begriff für Kinder. Sie kennen das Phänomen der Veränderung noch nicht. Der Zustand, in den sie hineingeboren werden, erscheint ihnen als fixe Gegebenheit. Mich hatte spätestens die Wirtschaftskrise gelehrt, dass nichts ewig dauerte. Ich wusste, dass alles – das Gute wie das Schlechte – irgendwann vorbei war, und das meistens schneller, als man dachte. In diesem Moment allerdings war ich froh darüber.
    »Spreiz die Beine«, sagte der Mann. Seine Stimme klang sanft. »Ich will dich lecken.«
    Er war auch am ganzen Körper rasiert. In seinen Augen war ein Leuchten, doch sein Penis hing klein und schlaff unter seinem faltigen runden Bauch herab. Ich musste an die Nacktschnecken denken, die meinen Garten seit einigen Jahren scharenweise heimsuchten. Zuerst strich er bewundernd über meine Brüste, doch rasch glitten seine Hände tiefer. Keuchend leckte er meine Scham.
    Die Wanduhr war riesig wie die Uhren in Bahnhöfen oder Hallenbädern. Wie leise sie war. Normalerweise verursachte das Springen des Zeigers ein Geräusch. Während ich sie betrachtete, hielt ich mich mit beiden Händen am Tisch fest, um nicht herunterzufallen.
    Ich fragte mich, ob sich der Kerl bei einer Frau, die vom Alter her zu ihm gepasst hätte, genauso benommen hätte. Und warum machte er das eigentlich? Erektion hatte er nach wie vor keine. Mir war das Ganze peinlich, vor allem für ihn. Dachte er etwa, das würde mir gefallen? Nach geraumer Zeit richtete er sich wieder auf.
    »Ich laufe gerne nackig in der Wohnung herum«, verkündete er. »Es gefällt mir. Im Sommer bin ich am liebsten an FKK-Stränden. Komm, ich zeig dir meinen Wintergarten.«
    Wie herrlich, jetzt bekam ich also dreihundert Euro dafür, dass mir ein impotenter Typ seine exotischen Pflanzen vorführte. Wie spät war es eigentlich inzwischen? Hatte ich lange genug nicht an die Zeit gedacht, um ihr Gelegenheit gegeben zu haben, in nennenswertem Ausmaß zu vergehen?
    Zwischen einem Tulpenbaum, einem Hibiskus und ein paar Fächerpalmen stand ein einfacher Stuhl. Sein Metallgestell war mit blauen Plastikschnüren bespannt, ein Modell aus den Sechzigerjahren, das ich von meinen Großeltern kannte. Ichmusste mich auf den Schoß des Mannes setzen – wie ein kleines Kind auf den Schoß seines Opas.
    »Musst du nach der langen Autofahrt und dem Kaffee nicht aufs Klo?«, fragte er.
    Die Autofahrt war tatsächlich lang gewesen. Rund anderthalb Stunden hatte ich von mir daheim bis hierher gebraucht. Zur Begrüßung hatte er mir Kaffee aufgedrängt, obwohl ich eigentlich gar keinen wollte. Schließlich hatte ich einen getrunken, weil auch dabei Zeit

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