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Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
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und Polizei eintreffen, ist Raoul wieder bei Sinnen und hat sich aufgesetzt. In dem Polizeiwagen sitzt ein Kriminalbeamter, der soeben vom Tatort eines Mordfalles kommt. «Womit wurde er getroffen?», fragt Detective Shaftoe.
    «Mit einem Löffel», antwortet eine Zeugin. «Dieser Löffel hier ist ihm auf den Kopf gefallen.»
    «Ohne Scheiß?» Shaftoe nimmt der Zeugin den Löffel aus der Hand und inspiziert ihn. Er ist aus massivem Silber, ziemlich schwer für seine Größe. «Ist gefallen oder wurde geworfen?»
    Die Zeugin zuckt die Achseln. Shaftoe tritt auf die Straße, von wo er die ganze Fassade des Ansonia überblicken kann. Auf dieser Seite des Gebäudes steht nur ein Fenster offen. Der Detective zählt die Fensterreihen, um festzustellen, zu welchem Stockwerk es gehört. Er ist ein kleiner, stämmiger Mann, mit schwarzer Haut und weißem Haar, Adleraugen und einer Nase, die öfter gebrochen worden sein muss als alle Versprechen eines Heiratsschwindlers. Er hat jede Menge Football gespielt, allerdings weitab von der Super-Bowl. «Wer wohnt in diesem Apartment?», fragt er Pepe und zeigt auf das offene Fenster.
    «Bin nicht sicher. Ich glaub, Miz Charl.»
    «Miz Charl», wiederholt Raoul. Das sind seine ersten Worte, und sie klingen, als wären sie durch den Liebestöter einer alten Nonne gefiltert worden. Die Ärzte wollen Raoul davon überzeugen, dass es besser wäre, wenn er in ein Krankenhaus ginge und sich untersuchen ließe, aber er ist dagegen. Die Polizei wird zu Rate gezogen.
    «Er ist ein zäher Bursche», sagt Shaftoe. «Lasst ihn. Wollt ihr eure Zeit und unsere Steuergelder verschwenden, indem ihr das Innenleben dieses Schädels fotografiert? Außerdem passt es ihm bestimmt nicht, wenn sich rumspricht, dass ihn so ein Löffelchen hier umgehauen hat.» Shaftoe grinst, und einige Zuschauer auch.
    «Haben Sie einen Schlüssel für das Apartment?», wendet sich Shaftoe an Pepe. «Gut. Ich geh mal rauf.» Er dreht sich zu Raoul um, der wieder auf den Beinen ist. «Wollen Sie mitkommen?»
    Raoul nickt trotz seiner Kopfschmerzen. «Ja, Mann, ich komm mal lieber mit. Miz Charl is so durchgedreht, weil ich nach L.A. gefahren bin, statt sie zu vögeln, Mann, dass sie ihr Küchenzeug nach mir schmeißt.»
    «Tatsache?», fragt Shaftoe.
    «Ich glaub nich, dass sie zu Haus is», sagt Pepe. «Sie is vor zwanzig Minuten los zur Arbeit.»
    «Sind Sie sicher, dass es zwanzig waren?»
    Pepe hat recht, es ist niemand in der Wohnung. «Muss ja nicht aus dieser Wohnung gekommen sein», sagt Shaftoe. «Sie könnten das Fenster wieder zugemacht haben.» Raoul scheint enttäuscht, besonders als der Detective die Küchenschubladen aufzieht und kein Silber findet, das mit dem anderen Stück zusammenpasst.
    Als sie schon halb zur Tür hinaus sind, dreht Shaftoe, der sonntags gern im Central Park sitzt und malt, eins von Ellen Cherrys Bildern um. Nur um zu schauen, ob ihr Zeug was taugt. Als er das Porträt eines Löffels entdeckt – eines Löffels, der identisch ist mit dem in seiner Hand –, pfeift er leise durch die Zähne und sinkt langsam aufs Sofa.
     
    Auf dem Weg zum Isaac & Ishmael’s sagt der Streifenpolizist, der den Wagen fährt: «Ich versteh das nich. Ein Typ kriegt ’nen Teelöffel an die Bedonje, braucht nich mal genäht zu werden, und Sie führen Ermittlungen durch.»
    «Irgendwas … stimmt hier nicht», sagt Shaftoe. «Irgendwas ist faul an der Sache.»
    «Hören Sie, Sergeant, das hier is New York, nich irgend’n Provinznest in Ohio. Außerdem gibt’s für alles ’ne einfache Erklärung, sogar in dieser Stadt. Die Alte lässt ’nen Löffel auf’m Fenstersims liegen, er fällt runter und trifft ’nen Macker am Kopf. Ach, die beiden kennen sich? Zufall.»
    «Und was ist mit all den Bildern von der Kleinen?», fragt Shaftoe und schwenkt den Löffel in der Hand. «Was mit denen von den Bohnendosen? Was, wenn dem nächsten Typen ’ne Bohnendose das Hirn zu Brei matscht? Irgendeinen Typen, auf den sie sauer ist, weil er es ihr nicht besorgt? Hab ich nicht recht, Kumpel?»
    Raoul auf dem Rücksitz zuckt die Achseln und betastet vorsichtig seinen Kopf.
    «Ja gut, aber da warn auch noch Socken», sagt der Bulle. «Mit ’ner Socke kann sie keinen erschlagen. Und überhaupt war sie bei der Arbeit.»
    «Aber wo arbeitet die Dame? In der brenzligsten Kneipe von ganz New York. Wo sie ihre Finger in allen möglichen nahöstlichen Machenschaften haben. Nein, ich sag euch, die Sache … stinkt. Da liegt

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