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Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
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königlich geschmückt am Fenster und sah auf den hebräischen Rebellen hinab, als dieser «zwei oder drei Kämmerer» aufforderte, «sie herabzustürzen». «Die Wand und die Rosse wurden mit ihrem Blut besprengt», so das grausame Alte Testament weiter. Jehu ließ sie im Hof liegen, wo die Hunde sie fraßen, während er hineinging und sich über den Wein hermachte. Nach ein paar Krügen aber müssen ihm doch Gewissensbisse gekommen sein, denn er gab seinen Vasallen den Befehl, ihre Leiche zu bestatten. Aber da hatten die Köter schon nichts mehr von ihr übrig gelassen «denn den Schädel und die Füße und die flachen Hände».
    Ellen Cherry war ungefähr so verwirrt wie eine Fliege, die den ganzen Tag ein Steckenpferd umschwirrt hat. Was hatte Königin Jezabel verbrochen, dass man sie als Inbegriff eines treulosen Flittchens abgestempelt hatte? In der Ruhmeshalle weiblicher Ungeheuer bewohnte Jezabel einen eigenen Saal, nein, einen ganzen Flügel. Weil sie ihr Haar gerichtet und Make-up aufgelegt hatte? Sollte das etwa heißen, dass sie ans Fenster getreten war, um mit dem aufsässigen Krieger zu
flirten
? Und wenn ja, was war daran so verwerflich, dass es ihren Ruf für die nächsten 3000  Jahre so gründlich ruinieren konnte? Der Augenaufschlag des Jahrtausends?
    Als Ellen Cherry auf dem regennassen Pflaster von Seattle auf Jobsuche ein Restaurant nach dem anderen abklapperte, trug sie auf den Schultern die Last eines Schädels, eines Fußpaares und zweier Hände. Die Fußnägel waren zinnoberrot lackiert, und aus einem Spalt im Schädel flatterte eine bunte Schleife. Und im Gehen fragte sie sich: «Was will die Bibel uns damit sagen?»
    Dass der Teufel Friseur ist?
    Dass man Elizabeth Arden an die Pudel verfüttern sollte?
     
    «Ganz schön unheimlich hier, findest du nicht, Boomer?»
    «Hmmm, wie auf’m Mond.»
    «Wir hätten doch lieber die direkte Strecke nehmen sollen.»
    «Wozu die Eile? Wir sind in den Flitterwochen. Flitterwochen auf’m Mond.»
    «Macht dich New York nervös?»
    «Teufel, nein.
Ich
hab doch keinen Grund, nervös zu sein. New York ist bloß ein Haufen Stahl und Eisen. Genau das Richtige für ’n Schweißbrenner.» Er sah wieder hinaus auf die Landschaft. Sie befanden sich jetzt entweder in Wyoming oder in Utah, da war er sich nicht ganz sicher, und die Felsformationen sahen aus wie Möbel in der Lobby des Hotels zur Ewigkeit. «Das hier ist was anderes», fuhr er fort. «Hier draußen würde so ein Schweißbrenner glatt einschrumpeln und absterben, einfach so, weil keiner ihn braucht.» Er starrte seine Braut an. Hier draußen war das ungefährlich. Die Straße verlief so schnurgerade wie die Kante einer Straight-Bourbon-Whiskeyflasche, und die Karnickel, na ja, es blieb eben jedem Karnickelmann und jeder Karnickelfrau selbst überlassen, ob sie den Weg eines heranpreschenden Airstream-Truthahns kreuzen wollten oder nicht. «Übrigens wird ein wichtiger Teil von mir gleich ebenfalls einschrumpeln, wenn du und ich nicht bald ein Päuschen einlegen.»
    «O Boomer. Wir haben es doch erst heut Morgen gemacht!»
    «Ebendrum.» Er packte ihren Schenkel.
    «O Boomer!»
    Er wandte sich wieder dem Highway zu, fuhr jedoch fort, ihr Bein zu betatschen, als sei es eine arme Kugel, die er im nächsten Augenblick in die Rekordverzeichnisse von West-Wyoming stoßen würde. Oder war es doch Utah? «Vielleicht bist
du
ein bisschen nervös wegen New York, hm, Baby?»
    Sie schüttelte den Mopp auf ihrem Kopf, diesen karamellbonbonfarbenen Mahlstrom, sagte dann jedoch: «Ja, ich schätze schon. Berühmte Künstler, Händler, Sammler, Sachverständige, Kritiker. Ich werde es mit ein paar dynamischen Leuten zu tun kriegen, reichen, weltgewandten, abgebrühten Typen; ich, Ellen Cherry Charles, die malende Kellnerin, die kleine Jezabel aus Colonial Pines.»
    Wieder nahm Boomer den Blick von der Straße und gab damit einem Karnickel Gelegenheit, seinen Pakt mit dem Schicksal zu besiegeln. «Mrs. Randolph Petway  III von den Petways aus Virginia – lass sie das ja nie vergessen.»
    Er wünschte, sie würde aufhören, sich andauernd mit Jezabel in Verbindung zu bringen. Egal, wie lässig sie darüber sprach, irgendwie kam es ihm schon beinah selbstzerstörerisch vor. Man kann keine Karriere auf einer Beschimpfung aufbauen. Kürzlich hatte ihn mal jemand einen hydrozephalen Blödian genannt, und er hatte sich nicht mal die Mühe gemacht, das im Lexikon nachzuschlagen. Leckte Ellen Cherry sich nur alte

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