Salomes siebter Schleier (German Edition)

folgte, einer Phase, in der er sie langsam, aber keineswegs leidenschaftslos auf Touren brachte und sie sich treiben ließ und dabei das graue Morgenlicht betrachtete, das sich im Schweiß seiner auf und ab wogenden Schulterblätter spiegelte, empfand sie ein jähes Schuldgefühl. Angesichts der Ereignisse der letzten zwei Jahre war es auf absurde Weise irrational, aber es war da, ein für Frauen aus dem Süden typischer konditionierter Reflex, der ihre Gefühle beeinträchtigte und den Glanz ihrer physischen Freude trübte. Ah, aber dann fiel ihr ein, dass Ultima am Montag nach Jerusalem flog, und sie konzentrierte sich mit neuem Elan aufs Vögeln.
    Mit beiden Händen seinen Arsch umklammernd, bäumte sie sich unter ihm auf, nicht um ihn tiefer in sich hineinzustoßen – er war schon so tief drin, dass sie ihn beinahe schmecken konnte –, sondern um ihm mehr von
sich
zu geben, ihm so viel von ihrer Pussy zu schenken wie anatomisch nur möglich, ohne Hemmungen, Scheu oder Scham. Wunderbare Laute entrangen sich ihnen, wie von Meeressäugetieren: ein Grunzen gegen den Druck des Ozeans, das gurgelnde Öffnen von Muschelschalen, das Klatschen nasser Flossen, die Ausdünstung feucht-salziger Gerüche, das blubbernde Schnorcheln von Moby Dick.
    Und schreckte sie etwa zurück, als er sich aus ihr zurückzog, um sich an ihren Füßen zu reiben?
Au contraire.
Sie zuckte mit keiner Wimper, als sie es heiß zwischen ihren Zehen herabrinnen spürte. Es machte ihr nichts aus, dass er einen ihrer schicken neuen Schuhe in eine Sauciere verwandelt hatte. Nein, zu gegebener Zeit würde Ellen Cherry gewiss selbst einige ungewöhnliche Ansprüche stellen, und sie wusste, dass der gute Spike Cohen genau der richtige Mann dafür war, sie zu befriedigen.
     
    Sie erwachte gegen Mittag mit dem Gefühl, dass sich das Schicksal zu ihren Gunsten gewendet hatte. Zweifellos war das eine Frage der Einstellung. Hat man erst mal eine flexiblere Definition dessen akzeptiert, was Realität ist, fällt auch ein größeres Netz über die Gewässer des Schicksals.
    Es war kein Zufall, dass gegen eins, als sie und Spike schon einen neuen Ritt auf dem Delfin hinter sich hatten, der Tagespförtner an die Tür klopfte und ihr einen Umschlag überreichte, den ein Bote für sie abgegeben hatte. Er enthielt einen Scheck und eine Notiz, mit violetter Tinte auf rosenfarbenes Papier geschrieben:
    Vergaß letzte Nacht (besser gesagt, heute Morgen) zu erwähnen, dass auch Ihr letztes Bild verkauft wurde. Diesmal an einen Sammler aus Corning. Offenbar kommen Sie in der Provinz groß raus, meine Liebe. Nach meiner Rückkehr aus Jerusalem müssen Sie mir unbedingt ein paar neue Arbeiten bringen.
    «Vielleicht mach ich das, Ultima Baby», sagte Ellen Cherry und kratzte sich genüsslich wie ein Affe das Hinterteil. «Vielleicht.»
    Spike brach auf, um Abu zum Tennis zu treffen, pfeifend wie ein Wellensittich in einem Marihuanafeld, und sie schlief weiter und träumte von Wellen mit weißen Schaumkronen. Wahrscheinlich waren es eher sexuelle als kreative Wellen, aber später erinnerte sie sich, dass ihnen kurz vor dem Aufwachen ein Pinsel in ihrem Kopf ein paar Tupfer Neapelgelb (Schutzheiliger der Kettenraucher von Napoli) hinzufügte, damit das Weiß nicht allzu eintönig wirkte.
     
    Serpent à sonnettes. Rattelslang. Culebra de cascabel. Skallerorm. Rattlesnake.
Klapperschlange.
    Als sie an dem behelfsmäßigen Podium vorbeiging, um in der Küche ihr leichtes Jackett aufzuhängen (den Mantelfehler vom vergangenen Abend würde sie nicht wiederholen), stieß Ellen Cherrys Fuß zufällig gegen Salomes Tamburin. Es klingelte und klapperte, sodass sie instinktiv einen Satz zur Seite machte, als wäre sie über eine dieser Schlangen gestolpert, deren Schwänze vibrieren, wenn sie aufgeschreckt werden. Abu hatte die Szene beobachtet und lachte laut.
    Serpent à sonnettes.
    Rattelslang.
    Culebra de cascabel.
    Skallerorm.
    Rattlesnake.
    Klapperschlange.
    Einzeln oder alle zusammen: musikalisch. Ein kleines Gedicht.
     
    In stillschweigender Übereinstimmung hielten Ellen Cherry und Spike die neue Facette geheim, die von den Diamantschleifern des Schicksals in ihre Beziehung geritzt worden war. Sie vermieden es gewissenhaft, sich bedeutungsvolle Blicke zuzuwerfen, sich zu berühren oder zu lächeln, wenn sie aneinander vorbeigingen. Um jeden Verdacht zu vermeiden, hatte sich Ellen Cherry sogar vorgenommen, Abu an diesem Abend besondere Aufmerksamkeit zu schenken, wann