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Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
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heuerte dazu zwei erfahrene Bauchtänzerinnen an. Geschäftlich war dieses erweiterte Angebot kein Misserfolg, aber auf Abus und Spikes Erregungsbarometer brachte er nicht mal den Zeiger zum Ausschlag. Die neuen Tänzerinnen, Veteranen ihrer Kunst, waren gechlortes Leitungswasser neben Salomes Kürbisflasche voll süßer Stutenmilch. Nicht schlecht, aber, wie Abu zu sagen pflegte: «Für einen Kenner ist ‹nicht schlecht› eine Beleidigung.» Außerdem beschwerten sich die Stammgäste darüber, dass während ihres Auftritts der affengeile Fernseher ausgeschaltet wurde, meistens im entscheidenden Augenblick eines Spiels. Daraufhin feuerten Spike und Abu die Tänzerinnen und kehrten zum alten Freitag-Samstag-Trott zurück.
    Das indische Restaurant nebenan, das völlig in ihrem Schatten stand, obgleich es ohne Frage den besseren Küchenchef hatte, machte dem arabisch-jüdischen Gespann das Angebot, den beiden seinen Anteil zu verkaufen, damit sie expandieren konnten. Abu und Spike lehnten ab. «Was wir haben, dabei bleiben wir nu», erklärte Spike. Und was sie hatten, war eine verschlossene sechzehnjährige Krankenschwester (Shaftoe hatte recht), die sich weigerte, mit Produzenten der «Tonight Show» zu reden, als diese sie in der Cafeteria des Bellevue-Hospitals ansprachen und dabei so wild mit einem Vertrag herumfuchtelten, dass ihre doppelte Portion Fritten kalt wurde. (Shaftoe tat auch kund – und niemand wusste, wo er seine Informationen herhatte –, dass das Mädchen eine schwere Hornbrille trug, wenn sie lernte oder im Fernsehen Comics ansah, eine Tatsache, die später von einem
Newsweek
-Reporter bestätigt wurde und Dutzende von Männern und Frauen veranlasste, trotz besten Sehvermögens mit absolut idiotischen Brillen an der UN Plaza zu erscheinen.)
    Was sie hatten, war eine zappelige, schüchterne Halbwüchsige, die die Kunst des Bauchtanzes neu definierte, ohne es eigentlich zu wollen, ähnlich einer Nachtwandlerin, die ihre schönsten Liebesgedichte im Schlaf schreibt. Was sie hatten, war eine Jungfrau (der Bandleader schwor, dass sie es war!), die Männer (und auch ein paar Frauen) zum Orgasmus brachte, ohne sie zu berühren oder auch nur anzusehen. Was sie hatten, war eine unreife Kindfrau, die ihren billigen Lippenstift schwang, ein rubinrotes X auf die Brust des modernen, weitläufigen, zynischen Manhattan malte und ihm dann sein mit tiefen Gefühlen und albernen Ideen erfülltes Herz durchbohrte.
     
    «Der Bauchtanz begann als eine Art praktisches feministisches Yoga», erklärte Abu bei mehr als einer Gelegenheit. «Er wurde vor Hunderten, vielleicht Tausenden von Jahren in der Levante entwickelt. Es war eine Methode, bestimmte Muskeln zu stärken und andere zu lockern, sodass Frauen leichter und schmerzfreier gebären konnten. Außerdem wirkte sich der Bauchtanz bei Menstruationsbeschwerden positiv aus. Was ich jetzt sage, ist natürlich reine Spekulation, aber ich stelle mir vor, dass Frauen zusammenkamen, um diese Übungen zu machen, ähnlich wie heute in Aerobic-Kursen, und unwillkürlich waren die Männer fasziniert. Sie fanden das Ganze unterhaltsam oder erotisch oder beides. Im Lauf der Zeit verlor der Bauchtanz, wie so vieles, seinen eigentlichen Sinn. Heute ist er nur noch manieriert, gekünstelt, in sich selbst verliebt.»
    «Und Salome bringt etwas von dem ursprünglichen Habitus, den alten Bewegungen zurück?»
    «Wie soll ich das wissen? Und wenn wir schon dabei sind, wie soll sie das wissen?»
    «Nun, immerhin behauptet sie, Kanaaniterin zu sein.»
    «Ein Witz, ist doch klar. Alle Kanaaniter, die nicht von den Hebräern ausgerottet wurden, vermischten sich mit ihnen. Was Salome eigentlich gesagt hat, war: ‹Ich bin eines jener kanaanäischen Mädchen, deren Mütter Blumen für den Altar von Jerusalem gepflückt haben.› Ein Witz, aber mir gefällt er. Er ist musikalisch. Ein kleines Gedicht. Was sie auf ihre romantische, mädchenhafte Art wohl wirklich ausdrücken will – und ich verbiete euch, mich hier zu zitieren –, ist, dass sie halb jüdischer und halb arabischer Abstammung ist. Natürlich wird sie deswegen manches durchgemacht haben, und dass sie sich zur Kanaaniterin stilisiert, zur Angehörigen einer verlorenen Rasse, ist ihre poetische Art, mit dieser Konfusion, diesem Leiden fertig zu werden. Reine Spekulation, wie gesagt. Detective Shaftoe, dessen Informationen gewöhnlich zuverlässig sind, hat nichts dergleichen verlauten lassen.»
     
    In einer Hinsicht

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