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Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
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    Kann sein, dass Ungeziefer ein Liedchen über den Schrecken der Schuhe zu singen weiß – Spike Cohen besang ihre Schönheit. In seiner Erinnerung glichen die schlichten schwarzen Schnürstiefel seiner Mutter Desserttellern, nur dazu bestimmt, das Pfirsicheis zu präsentieren, aus dem ihre erstaunlichen Zehen geformt waren. Und wie Aschenbrödels Prinz wusste er instinktiv, dass der Pantoffel die Höhlung darstellte, durch den der phallische Held die uterine Unterwelt betritt. Für den Jungen von der Orchard Street besaß Merkurs magischer Schuster durchaus kein Monopol auf geflügelte Sandalen.
    Wenn das I & I sich dem Erhalt der Menschheit und ihrer Leistungen verschrieben hatte, so zählte die Herrlichkeit der Schuhe unbedingt dazu. Daher wurde Spike nur selten von Gewissensbissen geplagt, wenn ein vorbeitrippelnder Stöckelschuh ihn von seinen Pflichten als pazifistischer Gastronom ablenkte. Als wahrer Freund tolerierte Abu Hadee diese bizarre Leidenschaft, obgleich er sie nicht verstand. «Mir bedeuten Schuhe nicht mehr als Konservendosen», gestand Abu. «Schuhe sind die Dosen, in die die Füße kommen.»
    Spike lachte über diese Bemerkung. (Ein gewisses Gefäß für Bohnen mit Schweinefleisch hätte an diesem Vergleich seine helle Freude gehabt.) Auch wenn Freunde die Nase rümpften, Ehefrauen das Weite suchen, es blieb dabei, dass Schuhe eine Brücke bildeten, welche die falschen Zähne seiner Begierde hielt.
    I & I

«Ein Schatten gehört nicht dem Objekt, das ihn wirft.» Das war eines von Roland Abu Hadees Lieblingszitaten. Er verstand es nicht ganz. Er wusste nur, es hatte etwas mit der Tatsache zu tun, dass Schatten vom Licht erzeugt werden, nicht von Objekten; dass ein Schatten sich verlängern, verkürzen oder völlig verschwinden kann, je nachdem, wie viel Licht vorhanden ist und aus welchem Winkel es fällt, selbst wenn das Objekt bewegungslos bleibt. So viel wusste er, und es war in seinen Augen mehr als genug. Die wissenschaftlichen Implikationen – und auch die philosophischen – interessierten ihn nicht. Für Abu zählte nur die
Musik
dieses Satzes. «Ein Schatten gehört nicht dem Objekt, das ihn wirft.» Abu entdeckte darin ein kleines Gedicht. Und ganz allgemein war es die Poesie, die Musik in den Dingen, um die es ihm ging.
    Er kam in einer Stadt zur Welt, deren Name ein kleines Gedicht war: Daressalam. Er wuchs auf in Alexandria, dessen Vokale über der Zunge aufgehen wie Hefe. Die Sprachen, die der junge Abu sprach, waren das ziemlich prosaische Englisch und Griechisch – sein Vater war Schiffsreeder mit internationalen Verbindungen, muss man wissen, und das waren die Sprachen dieser Branche –, doch die Schrift, die er überall um sich herum auf den Straßenschildern und Fassaden von Alexandria entdeckte, war durchaus Musik. Sie übte komplizierte Tonleitern auf dem Sehnerv. Von allen Seiten wand und schlängelte sich das arabische Alphabet ins Blickfeld, belebte die bröckelnde Architektur mit linguistischen Jazzeruptionen, Notationen aus dem Songbuch der DNS , energetischen Zeichen, so ursprünglich wie die ersten Grunzlaute und so modern wie die abstrakte Rückkoppelung eines Synthesizers.
    Klangfülle, Spannung und Tempo dieses wurmförmigen Wortschwalls, dieser Schlangenaugen-Symphonie, zogen ihn in ihren Bann, doch erst Jahre später, in Madison, Wisconsin, lernte er, ihn fehlerlos zu lesen.
    Zwar stammten sein Vater aus Syrien und seine Mutter aus Ägypten, zwar waren beide Moslems und hielten den

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