Salomon – Ein Engel auf Samtpfoten
sie einen Satz in seine Richtung und fuhr ihre Krallen aus. Sie blitzen kurz im Sonnenschein auf, bevor sie den Hund an seiner empfindlichen Nase erwischte.
Er heulte auf und wich zurück; dabei rieb er sich seine verletzte Nase mit den großen weichen Pfoten. Aber ein Treffer genügte Jessica nicht – sie warf sich auf den Hund und zielte auf seine Ohren. Der floh daraufhin jaulend und wimmernd, mit eingeklemmtem Schwanz und fliegenden Ohren den Weg hinauf.
John, Ellen und sogar Joe klatschten Jessica Beifall. »Tapfere Miezekatze!«
Aber Jessica war am ihrem Lob nicht interessiert. Sie ließ sich nieder und fuhr mit ihrer Katzenwäsche fort, als wäre nichts geschehen.
Später an diesem Tag tauchte der kleine Mann mit der blutroten Aura auf dem Weg auf – ohne Hund. Ellen bot ihm einen Becher heißen Tee an. Er saß im Wohnwagen und bat um Entschuldigung.
»Er hatte da draußen nichts zu suchen. Aber irgendein Idiot hatte das Tor offen gelassen«, erklärte er. »Er ist ein Rettungshund, ein ganz lieber Kerl. Seit dem Tod meiner Frau ist er alles, was ich noch habe.«
Ich schlüpfte an der Sitzbank vorbei, schmuggelte mich auf seinen Schoß und sah ihn an. Sein Name war Nick, und sein alter, abgewetzter Mantel roch nach Hund. Ich ignorierte das, rieb mich an ihm und schnurrte. Nick war genauso furchteinflößend wie sein Hund, aber ich erkannte die Einsamkeit in seinen Augen. Also streckte ich mich und legte ihm meine Pfoten aufs Herz.
»Ein wunderbarer Kater«, sagte Nick. »Er glänzt so schön und ist richtig nett, ein ganz Lieber.«
»Er heißt Salomon«, erklärte Ellen. »Und er ist ein richtiger Kuscheltiger.«
Nachdem Nick gegangen war, hob Ellen mich hoch und knuddelte mich.
»Das hast du gut gemacht, Salomon«, sagte sie. »Nick gehört der Campingplatz, und wir müssen gut mit ihm auskommen, sonst kann er uns rauswerfen.«
Ich war stolz. Ich war eine Heilerkatze. Was ich konnte, war genauso wichtig wie Jessicas Ruhmestat. Ich liebte sie für ihren Mut, den sie gegenüber dem Hund bewiesen hatte. Sie war eine Heldin und hatte eine Dose Sardinen ganz für sich allein bekommen.
Nach dem Zusammentreffen mit Jessica kam Paisley, so hieß der böse Hund, uns nicht mehr in die Quere. Wenn Nick ihn an der langen Leine ausführte, machte Paisley einen großen Bogen um unseren Wohnwagen. Jessica erschien dann immer wie von Zauberhand auf den Stufen und putzte sich, nur um ihn zu ärgern. Paisley bellte weder mich noch John jemals wieder an. Wir gehörten schließlich zum Gefolge von Königin Jessica.
Pam von nebenan wurde eine gute Freundin. Sie hatte einen Hund, den man kaum als solchen bezeichnen konnte. Er war kleiner als Jessica, hatte Spinnenbeinchen und Segel-ohren. Pam steckte ihn immer in ein kariertes Mäntelchen und band ihm Schleifchen ins Haar. Sie fuhr jeden Tag angestrengt tretend mit ihrem glänzenden weißen Fahrrad ihre Runden, und er saß dann in einem Korb am Lenker.
Pam konnte Joe nicht leiden. Sie kam nur zu uns, wenn er nicht da war. Wenn er mit ihr sprach, sah sie ihn immer so misstrauisch an, als würde sie seine dunkelsten Geheimnisse kennen.
In windigen Nächten war es ziemlich gespenstisch in unserem Wohnwagen. Er schaukelte und zitterte, Platanenzweige und -äste prasselten auf sein Dach. Das erschreckte mich so, dass ich mir draußen ein sicheres Versteck suchen wollte, wo Jessica und ich uns auch nachts aufhalten konnten. Ich verbrachte viele Stunden mit der Suche danach.
Ich spazierte die Straße hinter unserem Stellplatz auf und ab und freundete mich mit den Leuten an, die dort herumgingen. Besonders mit einem Mädchen mit dunklen langen Haaren. Sie erzählte mir, dass sie Karenza hieß, und blieb immer stehen, um mich zu streicheln. Eines Tages hob sie mich hoch, und wir kamen uns richtig nahe. Wir gaben uns Nasenstüber und rieben die Wangen aneinander.
Manchmal folgte ich Karenza nach Hause und sah mir ihr Häuschen an, das ein ganzes Stück weit weg stand. Sie hatte Katzen, die immer entweder auf der Mauer, vor dem Eingang oder im Fenster saßen und fett und zufrieden wirkten. Glückliche Katzen. Karenzas Zuhause stand auf der Liste meiner Verstecke an oberster Stelle.
In einer mondhellen Nacht kletterte ich dann über die Hecke und verschwand im Platanenwäldchen. Ich wollte wissen, was diese tiefen dunklen Löcher zu bedeuten hatten, die ich gesehen hatte, und herausfinden, wer dort wohnte. Zuerst erklomm ich ein paar Bäume, auch ganz hohe, und suchte ein
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