SALVA (Sturmflut) (German Edition)
wieder zu Aljoscha, um sicher zu gehen, dass er mit der
Doppelbelastung zurechtkam. Er wirkte durch Veit kein bisschen eingeschränkt
und lächelte mir zu. Ich schaute noch mal zu den anderen, um zu signalisieren,
dass ich jetzt bereit war los zu schwimmen. In diesem Moment ergriff Radu meine
Hand. Er sagte eine ganze Weile nichts, sondern hielt sie nur fest.
„Es kann nichts schief gehen Milla. Ich
bin immer in deiner Nähe und passe auf dich auf.“ Ich nickte kurz, konnte ihm
aber nicht in die Augen sehen. Es war mir bewusst, wie schwer es ihm fiel, mich
gehen zu lassen. Er hatte kein besonderes Vertrauen in diesem Plan, aber er
wollte es mich nicht spüren lassen. Für ihn war ich seine kleine Schwester,
egal was unser Blut sagte und auf mich aufzupassen war für ihn seine
Lebensaufgabe geworden. Das hatte er mehr als deutlich gemacht.
„Ich weiß. Das musst du mir nicht mehr
beweisen.“ Ich lächelte ihn schwach an und er lächelte zurück, mit der Sorge
noch immer deutlich in seinen Augen.
„Denk nur an da draußen. Hab keine
Angst.“ Mir war klar, wie Radu diesem Satz meinte. Es war leider so viel
leichter gesagt als getan. Mein Körper war jedoch so voller Adrenalin, ich
wusste gar nicht, ob ich in diesem Moment wirklich Angst empfand. Ich sah zu
den anderen. Sie alle vertrauten jetzt auf mich und ich wollte sie nicht
enttäuschen. Ein gewaltiger Kloß setzte sich wieder in meinem Hals fest. Ich
spürte Radus Hand auf meiner Wange und er zwang mich mit einer sanften Bewegung
dazu, nur ihn anzusehen. Trotz der Dunkelheit sah ich, sein Blick war voller
Vertrauen und Zuversicht. Ich spürte wieder einmal die Tränen kommen und
schluckte sie mit aller Macht hinunter. Ich sah ihm noch einmal tief in die
Augen und nahm seine Zuversicht in mir auf, konnte aber nicht losschwimmen,
ohne noch eine letzte Frage zu stellen. Sie lag mir auf der Seele seit unserem
letzten Gespräch. Es war nicht wichtig aber ich wollte es wissen. Würde ich ihn
nicht mehr wieder sehen, wollte ich wenigstens diese dumme Frage gestellt haben
und Ruhe in seiner Antwort finden. Ich sprach ganz leise, damit die anderen es
nicht hören konnten
„Was hab ich im Schlaf gesagt?“ Radu
sah mich verwirrt an. „Damals, als du am Morgen zu mir gekommen warst. Du
sagtest, ich hätte im Schlaf gesprochen. Was habe ich gesagt?“ Für ein paar
Sekunden war sein Gesichtsausdruck wie erstarrt, dann begann er schwach zu
lächeln.
„Du hast mich gebeten, dich nicht
allein zu lassen... also, hier bin ich. Keine Angst.“
„Ich weiß... Danke.“ Es war nur noch
ein Flüstern, aber er hatte mich verstanden. „Ich habe keine Angst. Ich will
hier raus und wir werden das schaffen. Heute Nacht stirbt hier niemand mehr.“
Ich
drückte mich noch einmal für einen kurzen Moment an ihn, dann ließ ich los und
schwamm in Richtung Schleuse.
Ich
musste nicht wirklich schwimmen, denn die Strömung trieb mich bereits direkt zu
meinem Ziel. Die Mauer war nun unmittelbar vor mir und der Sog wurde immer
intensiver. Kurz bevor ich den Radius der Suchscheinwerfer erreichte, holte ich
tief Luft und tauchte ab. Ich konnte Unterwasser nichts erkennen und musste
mich darauf verlassen, dass ich direkt auf die Schleuse zu trieb. Es kam mir
wie eine Ewigkeit vor, doch dann traf mein Körper ganz unerwartet auf das harte
Mauerwerk. Die Strömung riss mich nach rechts, doch ich versuchte mich
irgendwie an der Mauer festzuhalten um nach oben zu kommen. Bevor ich die Bombe
anbringen konnte, musste ich noch einmal Luft holen. Es hatte keinen Zweck, ich
fand einfach keinen Halt. Stattdessen stieß ich mit dem Körper immer wieder
gegen das Gestein. Um jeden Preis musste ich die Bombe schützen und nahm
Verletzungen an meinen Händen und Beinen in Kauf. Endlich bekam ich ein Loch in
der Mauer zu fassen, das groß genug war, um sich daran fest zu halten. Mit viel
Mühe führte ich meinen Fuß zum Loch und stieß mich hinauf. Ich versuchte nur
mit dem Gesicht aufzutauchen, aus Angst, die Selbstschussanlagen auszulösen,
aber ich bekam kaum Luft und schluckte noch zusätzlich Wasser. Ich streckte den
Kopf aus dem Wasser, während mich die Strömung weiter nach rechts riss. Dort,
wo das Wasser mit einem Tosen auf die Mauer traf, musste die Schleuse sein. Sie
war bereits ganz nah. Ich sah einen der Scheinwerfer in meine Richtung kommen
und tauchte wieder ab. Der Sog war nun so
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