SALVA (Sturmflut) (German Edition)
versehentlich
ausgelöst hatte, aber sie kam nicht. Ich kämpfte weiter gegen den Sog des
Wassers an und erreichte die Oberfläche. Diesmal öffnete ich sofort die Augen
und suchte nach dem Licht der Scheinwerfer. Ich war sicher. Das Wasser zog mich
langsam wieder zur Schleuse und ich schwamm dagegen an. Ich tastete wieder nach
den Fäden und stellte fest, dass ich noch einen verloren hatte. Im dunklen
Wasser vor mir konnte ich etwas erkennen, das wie der Kopf einer Straßenlaterne
aussah. Käme ich bis dorthin, würde sie mir vielleicht genug Halt während der
Detonation bieten. Ich schwamm mit ganzer Kraft, doch schien sie einfach nicht
zu erreichen. Das Wasser hatte eine gewaltige Kraft, gegen die ich einfach
nicht ankam. Mir blieb nur eins, mich von der Mauer irgendwie abzustoßen und
nach der Laterne zu greifen. Ein Scheinwerfer kam wieder in meine Nähe und ich
tauchte ab. Ich versuchte die Sohlen meiner Schuhe irgendwie gegen die Wand zu
drücken. Es wollte einfach nicht gelingen. Erst nach einigen Versuchen, hatte
ich zum ersten Mal genug Halt, um es auszuprobieren. Mit aller Kraft drückte
ich mich von der Wand weg und versuchte die Laterne zu packen. Meine
Fingerspitzen berührten das Metall der Straßenbeleuchtung und ich fühlte die
Spannung der Fäden in meinem Mund und wie sie mir davon glitten. Wieder griff
ich reflexartig danach und hatte keine Chance mehr mich an der Laterne
festzuhalten. Ich fluchte innerlich und rechnete mit dem Schlimmsten. Der Sog
würde mich zurück reißen bis zur Schleuse. Die Strömung hätte mich wegreißen
müssen, doch sie tat es nicht. Ich spürte, wie die Kapuze meiner Jacke an etwas
fest hing. Im nächsten Moment zog es mich in Richtung Laterne. Ich hing nicht
an irgendwas fest, jemand hielt mich. Mit einer Hand hielt ich die Fäden, mit
der anderen versuchte ich hinter mich zu greifen. Eine Hand packte meinen Arm
und zog mich weiter zurück. Ich tauchte auf und sah in Radus Gesicht. Er hielt
mich mit aller Kraft fest und zog mich weiter zu sich. Die Fäden in meiner Hand
spa nnten sich wieder an und bevor ich ihm sagen konnte, dass er aufhören
sollte, spürte ich wie die Spannung sich löste und die Fäden nur noch lose an
meiner Hand hingen. Wenige Sekunden später jagte die Detonation das Wasser in
alle Richtungen und der Druck schleuderte mich in seine Arme, nur um mich
wenige Augenblicke später mit einer gewaltigen Kraft wieder in Richtung
Schleuse zu reißen. Es war so weit. Ich konnte gegen die Gewalt der
Wassermassen nichts mehr ausrichten. Sie rissen mich unter Wasser und ich
konnte fühlen, dass Radu meine Hand ergriffen hatte. Er hielt sie fest, doch
die Kraft des Wassers riss uns nur wenig später auseinander. Mein Körper
prallte gegen die Mauerreste und ein heftiger Schmerz fuhr durch meinen Körper.
Ich verlor jegliche Kontrolle und war zu einem Spielball der Wassermassen
geworden. Erneut traf mein Körper auf Widerstand und diesmal erwischte es mein
Becken und Bein. Der Schmerz fühlte sich an, als hätte gerade etwas meine Seite
aufgeschlitzt. Verzweifelt versuchte ich, irgendwie an die Wasseroberfläche zu
kommen um nach Luft zu schnappen, doch ich hatte keine Chance. Nur einige
Momente später wusste ich, ich würde gleich das Bewusstsein verlieren. Es gab
keinen Weg, wie ich mich jetzt noch retten konnte, ich würde ertrinken. Mit
meinen letzten Gedanken, wollte ich an meinen Vater denken, doch es gelang mir
nicht. Jemand anders hatte sich so tief in mein Innerstes gegraben, dass ich
nur an ihn denken konnte. Es war okay.
18
Ich
war noch gar nicht wieder richtig bei Bewusstsein, als mein Körper unter
Schmerzen das Wasser aus meinen Lungen hustete. Es dauerte ein paar Sekunden,
bevor ich begriff, dass ich noch am Leben war. Ich riss die Augen auf und sah
in Aljoschas Gesicht. Ein Glücksgefühl überkam mich bei seinem Anblick. Ich war
noch am Leben und ich war nicht allein. Er drehte mich auf die Seite und ich
hustete das restliche Wasser ab. Mein ganzer Körper war ein einziger, großer
Schmerz und ich stöhnte auf. Aljoscha griff unter meine Arme und lehnte mich
gegen einen Baum. Die Sonne ging gerade auf. Erst jetzt sah ich Veit. Er sah
besorgt aus und ebenso durchnässt wie Aljoscha und ich. Sofort spürte ich die
Kälte und begann zu zittern, aber es war mir egal, solange ich nicht wieder
allein von einer Hölle durch die nächste gehen musste.
„Willkommen
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