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SALVA (Sturmflut) (German Edition)

SALVA (Sturmflut) (German Edition)

Titel: SALVA (Sturmflut) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Suslik
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Unterrichtseinheiten entschied ich, noch nicht wieder nach
Hause zu gehen. Ich fühlte mich nicht besonders und wollte mich irgendwie
abreagieren. All die Vorkommnisse der letzten 48 Stunden hatten mich innerlich
aufgewühlt. Ich sagte Ihsan, dass ich ihn später treffen würde und ging zur
Schwimmhalle. Noch einmal bis zur Erschöpfung schwimmen, mich richtig befreien
und jeden Gedanken, wenigstens für eine Weile, aus meinem Kopf verbannen. Ich
stieg ins Wasser und ließ mich völlig gefangen nehmen. Für eine Stunde oder
zwei, sollte die Welt außerhalb des Beckenrandes nicht existieren. Schon
damals, als ich mit dem Schwimmen anfing, war es wie eine Therapie für mich.
Ich konnte meine ganze Kraft auf ein Ziel konzentrieren und es erreichen. Ich
liebte das Wasser und das Gefühl, das ich hatte, sobald ich abtauchte. Alle
Probleme trieben einfach davon. Ich war befreit. Ich war frei. Trotzdem gab ich
das Schwimmen irgendwann auf. Nach dem mein Vater weg war, hatte es nicht mehr
die gleiche Wirkung. Es wurde zu einer seltenen Flucht, wenn mir alles zu viel
wurde und nach dem Tod meiner Mutter hörte ich ganz auf. Ich entschied, dass es
an der Zeit war mit dem Flüchten aufzuhören. Ich musste erwachsen werden und
einsehen, dass auch das Wasser mich nicht befreien würde. Ich fing an meine
Bahnen zu schwimmen und hörte erst auf, als meine Lungen schmerzten. Einen
Moment hielt ich mich am Beckenrand fest und wartete darauf, dass mein Atmung
sich wieder normalisierte. Ich wollte die Erschöpfung spüren um zu entscheiden,
ob ich noch ein paar Bahnen schaffen würde. Dann entschied ich mich für zwei
Weitere und wartete danach wieder kurz. Ich fühlte mich ausgelaugt aber es war
weniger eine körperliche als eine psychische Erschöpfung. Mit all den Gedanken
in meinem Kopf hatte ich das Gefühl einer tonnenschweren Last auf meinen
Schultern. Ich schloss die Augen, tauchte ab und ließ mich bis auf den Boden
des Beckens sinken. Vielleicht war es das letzte Mal. Alles könnte sich heute
Nacht ändern und ich würde nie wieder schwimmen. Ich wollte mir den Gedanken
bewusst machen. Man könnte uns festnehmen. Vielleicht würde ich heute auch
sterben. Ich war bereit dieses Risiko einzugehen und trotzdem hatte ich Angst.
Ich musste wieder an meinen Traum denken. Er machte so wenig Sinn und trotzdem
hatte ich das Gefühl, mein eigener Verstand wollte mir etwas sagen. Es war
einfach unerträglich, ich verstand nicht einmal meine eigenen Emotionen. Mein
ganzes Leben hatte mich so stumpf gemacht. Es war das richtige zu gehen. Ich
konnte so nicht weiter machen. Was immer Ihsan und mich erwartete, es würde
mein Leben verändern und das war die einzige Richtung, die ich einschlagen
konnte. Ich spürte den Druck auf meinem Brustkorb. Ich brauchte Luft. Mit einem
kräftigen Satz stieß ich mich vom Beckenboden ab und tauchte wieder auf.
Mittlerweile war ich allein in der Schwimmhalle. Ich schwamm zu den Trittstufen
und stieg aus dem Wasser. Im Hinausgehen sah ich mich noch einmal um und
verabschiedete mich von diesem Ort. Es tat weh.

 
 
 
 
 
    3

 
    Ihsan
wartete schon auf mich als ich am abgesprochenen Treffpunkt ankam. Der Regen
war noch stärker geworden und er hatte die Kapuze weit ins Gesicht gezogen. Als
ich zu ihm kam, hob er den Kopf und grinste. Seine Aufregung sprang mir
förmlich entgegen. Ich hingegen, kämpfte immer noch mit dem Gefühl von Angst.
Es war befremdlich, ihn so lebendig zu sehen aber es nahm mir etwas von meiner
Aufregung. Ich erinnerte mich wieder daran, warum wir das taten.
             „Wir werden nass bis auf die Knochen
sein, wenn wir in Kalemegdan ankommen.“
             „Wir sind jetzt schon nass bis auf die
Knochen. Lass uns einfach losgehen.“ Ich setzte mich in Bewegung und Ihsan
folgte mir. Von unserem Treffpunkt aus war Kalemegdan nicht weit entfernt. Das
Gebiet wurde zwar gut bewacht, das bedeutete aber nicht, dass keine Löcher in
der Abgrenzung vorhanden waren. Da es als Treffpunkt den Reiz verloren hatte,
war die Absperrung recht provisorisch. Eine massive Mauer um das Gelände zu
ziehen war stellenweise nicht möglich, da es zur Flussseite an einem Steilhang
endete. Immer wieder brach dort in den vergangenen Jahren Gestein ab. Außerdem
kostete es Geld, das wohl niemand dafür ausgeben wollte. In der Vergangenheit
waren nur einmal Bauarbeiter auf dem Gelände und nur für wenige Tage. Niemand
konnte sagen, was sie dort getan hatten. Man vermutete, dass etwas

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