Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SALVA (Sturmflut) (German Edition)

SALVA (Sturmflut) (German Edition)

Titel: SALVA (Sturmflut) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Suslik
Vom Netzwerk:
in Planung
war, aber zu sehen war nichts. Die Schutztruppen vor Ort waren immer schwer
bewaffnet. Würden sie uns bei dem Versuch auf das Gelände zu kommen erwischen,
dann würden sie sehr wahrscheinlich das Feuer eröffnen. Es waren schon einige
in und um Kalamegdan gestorben und unzählige festgenommen worden. Wenn man
nicht versuchte zu flüchten und sich ruhig verhielt, war die Chance am Leben zu
bleiben groß. Die Strafen, die danach folgten, brachten jedoch viele dazu
trotzdem einen Fluchtversuch zu wagen. Eine Tat der Verzweiflung.
             „Wenn man uns erwischen sollte, dann
lauf nicht weg egal was auch passiert.“ Ich musste es ihm sagen, denn ich hatte
Angst, er könnte vor lauter Panik etwas Dummes tun.
             „Wenn sie uns wirklich erwischen,
kannst du dir sicher sein, dass ich weglaufen werde.“ Bei diesem Satz fing mein
Herz wieder an zu rasen.
             „Das meinst du nicht wirklich so?“ Ich
wollte es nicht glauben.
             „Ich mein es ernst. Lieber versuche ich
abzuhauen und werde dabei erschossen, als mich von den Schutztruppen gefangen
nehmen zu lassen.“ Ich war wie erstarrt. Mein Ihsan, mein lieber Ihsan spürte
so viel Verzweiflung. Die Ernsthaftigkeit seiner Worte machte mich für einen
Moment sprachlos. „Ich habe darüber nachgedacht und wenn man schnell ist, kann
man entkommen.“
             „Aber du bist nicht schnell.“ Ein
trauriges Lächeln schlich sich auf mein Gesicht.
             „Ich weiß. Aber versuch mich zu
verstehen. Ich könnte die Strafe auch nicht überleben.“ Ich verstand sofort was
er meinte. Wenn die Schutztruppen uns schnappten, würden wir als Terroristen
oder Radikale verurteilt werden. Obwohl es keine Todesstrafe gab, wurden diese
Leute nie wieder gesehen. Sie verschwanden einfach. Angeblich wurden sie in die Todesstädte gesperrt. Es gab Städte, die von der Pandemie so schwer
getroffen wurden, dass man alle Bewohner evakuierte. Meistens waren schon kaum
noch welche am Leben. Es traf genau sieben Städte in Europa und sie sind bis
heute völlig unbewohnt. Irgendwann wurden riesige Mauern um sie gezogen und
Unsummen dafür ausgegeben, sie absichern und bewachen zu lassen. Angeblich,
weil das Betreten gefährlich sei. Gebäude wären mittlerweile vom Einsturz
gefährdet, der Wiederaufbau zu kostspielig und das Gesundheitsrisiko nicht
abzuschätzen. Das waren für mich offensichtliche Lügen, aber dass Menschen dort
hingeschickt wurden, machte für mich auch keinen Sinn. Warum sollte man solch
eine Art der Bestrafung in Betracht ziehen? Für welchen Zweck? Trotzdem hielt
sich das Gerücht der Todesstädte hartnäckig. An ihren Mauer endete Europa und
damit auch die Gesetze.
             „Das kannst du nicht wissen Ihsan.“ Ich
wollte ihn aufbauen, mehr viel mir jedoch nicht ein.
             „Kann ich nicht, aber in jedem Gerücht
steckt doch angeblich ein Funken Wahrheit.“ Er lächelte wieder und ich
beschloss, besser nicht mehr davon zu sprechen.
    Wir
erreichten die Straßen, die Kalemegdan vom Rest der Stadt trennte. Sie
umschloss das Gelände in einem Halbkreis und lief dann weiter am Flussufer
entlang. Die andere Hälfte von Kalemegdan wurde durch den Steilhang und
dahinter durch den Fluss selbst begrenzt. Von der Flussseite führten nur ein
paar Treppenaufgänge auf das Gelände und diese waren immer bewacht. Die Straße
war stets gut ausgeleuchtet und grenzte an die belebte Innenstadt. Die Männer
von der Schutztruppe mussten patrouillieren, um das Gelände von der Stadtseite
abzusichern. Man hatte nur dort eine Chance auf das Areal zu kommen. Größere
Schäden an der Absperrung wurden normalerweise sofort behoben. An manchen
Stellen war sie jedoch auf eine kleine Mauer aufgezogen, die das Gelände schon
vorher teilweise eingrenzte. Durch den wochenlangen Regen waren die Zäune an
diesen Stellen zum Teil abgesunken oder verrutscht, so dass man darunter
durchklettern konnte. An so einer Stelle mussten wir es versuchen. Wir gingen
die angrenzende Straße ab und versuchten die schwachen Stellen auszumachen. Es
sollte zurzeit mindestens eine geeignete geben, denn wenn Salva wirklich
existierte, musste er auch irgendwie auf das Gelände kommen, es sei denn er
kannte einen uns unbekannten Weg. Es machte aber wenig Sinn, darauf zu
spekulieren. Ich wollte auch die Männer der Schutztruppe im Auge behalten. Wir
hatten erst ein Viertel der Strecke geschafft und ich zählte zwei

Weitere Kostenlose Bücher