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SALVA (Sturmflut) (German Edition)

SALVA (Sturmflut) (German Edition)

Titel: SALVA (Sturmflut) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Suslik
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machte er wieder einen Schritt zurück und drehte sich wieder zur
Tür. Vor meinem geistigen Auge liefen die Bilder ab, was alles mit uns
passieren konnte, ließ ich ihn jetzt einfach gehen. Er war mit Sicherheit nicht
allein hier und er konnte uns mit Leichtigkeit ans Messer liefern, nur weil ich
den Abzug nicht betätigt hatte. Weil er einen Psychotrick mit mir gespielt
hatte um am Leben zu bleiben. Ich riss das Gewehr wieder hoch und drückte den
Lauf gegen seinen Hinterkopf.
             „Wieso?“ Diese Situation war verrückt.
Er war in diese Stadt gekommen um zu töten und jetzt wollte er es nicht tun?
Wieso? Weil wir Frauen waren? Wir waren hier nicht die ersten weiblichen
Personen und ich konnte nicht glauben, dass eine Schutztruppe da einen
Unterschied machen würde. Wieso war sein Blick so anders? Hatte er geglaubt,
hier das Richtige zu tun und dann festgestellt, dass er zum Mörder geworden
war? Ich wusste einfach nicht, ob ich eine Lüge von der Wahrheit unterscheiden
würde, aber in diesem Moment war seine Antwort der einzige Weg herauszufinden,
was ich jetzt tun konnte. Was ich tun musste.
             „Ich will es nicht. Es macht jetzt
keinen Sinn mehr.“ Ich verstand es nicht. Was sollte das bedeuten? Bevor ich
seine Worte richtig erfassen konnte, ließ er die Arme wieder sinken, ging
weiter und verließ das Gebäude. Mein Finger war immer noch am Abzug.
Sekundenlang. Dann nahm ich die Waffe runter. Ich wollte es nicht und ich
konnte es nicht. Nicht in diesem Moment. Der junge Mann ging einfach die Straße
runter und entfernte sich von den anderen Schutztruppen, die Gry und ich
gesehen hatten. Vielleicht wollte er uns tatsächlich nicht verraten, doch ich
wollte auch nicht hier herumstehen und auf die Lösung zu diesem Rätsel warten.
Gry kam ein paar Schritte auf mich zu. Sie sah mich verständnisvoll und dennoch
bestimmt an. Vermutlich hatte ich in ihren Augen das Richtige getan. Es spielte
für sie keine Rolle, was sie hier alles schon gesehen hatte. Sie wollte
menschlich bleiben und trotz allem, was ich schon alles ertragen musste, wollte
ich es auch. Ich konnte hassen, aber ich würde mich nicht darin verlieren.
Sonst würde am Ende nur noch eine Person zum Hassen übrig bleiben: Ich selbst.
    Während
ich versuchte meine eigenen Gedanken zu sortieren, wanderte mein Blick über den
Boden des Raumes und ich erblickte wieder das Wort Flut und ein Pfeil,
der auf eine Kellertreppe deutete. Meine Augen wurden groß. Wir mussten ganz
nah dran sein. Ich sah zu Gry, die immer noch zu mir schaute und auf eine
Reaktion wartete. Mein Blick wanderte zur Treppe und dann wieder zu ihr. Sie
nickte kurz und ich lief los. Gry war sofort hinter mir und wir eilten den
Treppenabgang hinunter, bis zu einer Holztür auf die ein kleines Kreuz gemalt
wurde. Ich öffnete die Tür trotzdem vorsichtig und betrat den Raum dahinter mit
angelegter Waffe und dem Finger am Abzug. Es war nur ein langer Flur, von dem
diverse andere Türen abführten. Ich schloss die Tür hinter uns und suchte nach
einem weiteren Kreuz. Ich blieb abrupt stehen und Gry lief in mich hinein. Sie
warf mir einen entschuldigenden Blick zu und ich sah wieder zu dem vorletzten
Durchgang auf der rechten Seite. Auf dem Türrahmen, neben der Klinke stand:

 
    H
    i

 
    M
    i
    l
    l
    a

 
    Ich
wollte lachen, aber genauso wie die Tränen, kämpfte ich es zurück. Diese
simplen Worte, mein eigener Name, das löste ein kleines Glücksgefühl in mir
aus. Es riss mich für Sekundenbruchteile aus diesem Wahnsinn, der mich überall
umgab. Ich war schon im Begriff die Klinke zu ergreifen, als ein Gedanke wie
ein Blitz durch meinen Verstand zuckte. Hatte ich Aljoscha erst einmal wieder
gefunden, dann war er genauso in Gefahr, wie Veit und Gry. Würde Branko mich
finden, würde er auch ihn finden. Es war grausam von mir, es nur zu denken,
aber von allen Personen um mich herum, wollte ich Aljoscha am wenigsten in
Gefahr bringen. Er stand mir hier näher als irgendjemand sonst. Ich wollte ihn
nicht leiden oder sterben sehen müssen.
             „Ist irgendwas? Hast du was gehört?“
Grys Worte erweckten mich aus meiner Starre. Ich konnte es nicht leugnen, den
Wunsch ihn bei mir zu haben war stärker als der Gedanke, dass es vielleicht
seinen Tod bedeutete. Diese Erkenntnis war einfach zu viel und ich kämpfte sie
nieder. Ich würde nicht einfach sterben, er würde nicht einfach sterben. Punkt.
Ich öffnete die Tür und blickte in den Lauf einer

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