Salvatore, R.A. - Todfeind2
verhaften, damit er später aufgehängt wird? Ihr habt vielleicht ein Leben gerettet, guter Bruder. Ist das nicht eine Lüge wert?«
»Wenn der Mann ein Krimineller ist, dann ist es nicht meine Aufgabe, der Gerechtigkeit ins Handwerk zu pfuschen.«
»Kriminell. Gerechtigkeit«, wiederholte Dawson. »Starke Worte in einer Zeit wie dieser, in der Männer ihresgleichen niedermetzeln, um die Ziele habgieriger Fürsten zu unterstützen. Stimmt Ihr mir darin nicht zu?«
Bruder Pinower seufzte und blickte aufs Meer hinaus,
»Dies ist für Pater Artolivan und für Euch alle ein einfacherer Weg. Vielleicht habt Ihr noch mehr Leben gerettet als nur das des Wegelagerers, wenn es hart auf hart kommt. Sein Ruf ist beeindruckend. Wenn er als Krieger nur halb so gut ist, wie Pater Artolivan glaubt, dann wird er Lady Gwydre hervorragend zu Diensten stehen.«
Nun blickte Pinower den erfahrenen Seemann offen an. »Er reist unter Vorspiegelung falscher Tatsachen nach Vanguard. Sein Zorn wird furchtbar sein, wenn er von dem Betrug erfährt. Ihr wisst nicht, ob er Lady Gwydre überhaupt zu Diensten stehen wird.«
»Oh, das wird er«, meinte Dawson lächelnd. »Denn er geht nicht allein, und sie – alle drei – werden sich alleine und verwundbar in einem Land wiederfinden, das ihnen fremd sein wird. Betrachtet dies als seine Strafe für die Verbrechen, derer er beschuldigt wird. Wir sind Eure Gefängniswärter – so und nicht anders wird es sein.«
»Wenn Ihr meint«, sagte Pinower und schaute auf das dunkle Wasser hinaus.
Dawson folgte seinem Blick. »Oh, er wird«, murmelte er leise.
12
DER KALTE SITZ DER MACHT
Tinnikkikkik erkannte die Bedrohung, die von seinen hundert Eistrollsoldaten ausstrahlte, und er spürte sie sogar selbst, denn dieser Ort wirkte ohne Zweifel beunruhigend. Es war mehr als nur die kalte Luft. Diese Kälte störte die Trolle nicht, die im eisigen Wasser schmelzender Gletscher schwammen und sogar in tiefen Winternächten in alpinadorischem Eis und Schnee nackt herumliefen. Das warme Wasser des Sees unterhalb des Gletschers verursachte ihnen mehr Unbehagen als die Kälte, sogar so hoch oben auf dem Eisstrom.
Es war nicht nur die fast unerträgliche Kälte, sondern die ganze Ausstrahlung des Ortes. Tinnikkikkik hatte sich in seinen fünf Dekaden schon in vielen aus Eis geformten Häusern aufgehalten, aber noch nie in einem derart abgelegenen. Weite kristallene Korridore wanden sich in verwirrenden Drehungen und Biegungen umeinander, einige aufsteigend, andere absinkend. Eis oder nicht Eis, dies war gewiss das größte von Menschen geschaffene Bauwerk, das Tinnikkikkik oder irgendein Angehöriger seines Stammes je gesehen oder betreten hatten. Und es wirkte alles noch viel größer – wegen der geschwungenen Treppen, die sich zu den Seitentürmen hochschraubten, die wirklich groß erschienen, obwohl sie vielleicht nur ein paar eher kleine Räume enthielten.
Neben der Größe und Ausdehnung des Palastes steigerte die Art und Weise seiner Errichtung die beeindruckende Ausstrahlung noch um einiges. Denn keine Hacken und keine Meißelmesser waren benutzt worden, um Devongel, wie das Bauwerk genannt wurde, zu errichten, und keine starken Arme – weder menschliche noch die eines Riesen – hatten die Eisblöcke hochgewuchtet und zu dicken Wänden aufeinandergestapelt. Nein, Devongel war durch reine Magie aus dem Gletscher hervorgeholt worden, auf dem es stand.
Und keine Fackeln erleuchteten es, obgleich es keineswegs dunkel darin war. Es war nicht hell, aber es war auch nicht so dunkel, wie es hätte sein müssen, selbst an einem klaren und sonnigen Tag, was nicht der Fall war. Ein tiefblaues Licht strahlte aus dem Eis des Bauwerks und verstärkte noch das Gefühl der Kälte und Leere, das der Palast vermittelte.
Uralte Magie hatte diesen Palast erbaut und erleuchtete ihn auch, es war Erdmagie, die Macht der Samhaistaner. Eine andere Erscheinungsform der Magie, die Tinnikkikkik dazu bewegt hatte, sein Volk hierher zu führen, wie er tief in seinem Herzen wusste, und obwohl er sich im Grunde dagegen wehrte, durch Magie von außen gelenkt zu werden, hatte nicht einmal diese Erkenntnis ihn davon abhalten können, herzukommen. Er versuchte sich einzureden, dass er dem Ruf trotz seiner Vorbehalte folgte, weil er der tapferste, mutigste Angehörige seines Volkes war – und das hatte er wirklich in vielen, vielen Schlachten bewiesen. Sein Rang als Baas, als Anführer, bestätigte dies, denn
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