Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
sinnvoll oder klug war.
Vielleicht würde sie ihn nie wiedersehen. Sie würden ihn töten. Der Gedanke schmerzte. Sie mochten auch sie umbringen, was unfair war, denn sie wußte gar nichts und war nur wegen des Abenteuers mitgekommen. Sie hatte an seiner Seite einmal als Dame reisen wollen. Es war schön, einmal etwas anderes zu sein als nur Personal.
Doch das war nicht mehr wichtig. Sie wußte genug über Männer, um zu argwöhnen, daß viele unangenehme Dinge auf sie zukamen. Ihre Gedanken wirbelten und überschlugen sich, malten ihr fürchterliche Szenen voller Schmerz und Erniedrigung aus. Sie schob sie entschlossen beiseite. Besser, sie konzentrierte sich auf das, was wirklich geschah, als auf all das, was noch geschehen mochte. Corrisande war der Meinung, es gebe immer einen Ausweg, und ihre Mutter hatte stets gesagt, alle Männer seien gleich. Kombinierte man diese beiden Weisheiten, mochte sie ihr Schicksal vielleicht beeinflussen können.
Sie biß sich auf die Lippen, blickte verstohlen nach oben und zur Seite und musterte den Mann, der sie die Treppe hochzerrte. Er war vielleicht vierzig, kräftig und ziemlich unattraktiv. Seine Miene war unlesbar. Sie konnte ihn nicht einschätzen, obgleich es ihr gemeinhin leicht fiel, Männer zu beurteilen.
Auf der letzten Stufe trafen sich ihre Blicke, und er griente, dann wurde er wieder finster. Er sagte nichts, stieß sie nur den Korridor entlang zu einer Tür. Mit einer Hand öffnete er diese, mit der anderen schob er sie ins Zimmer.
Es war ein Gästezimmer. Sie beging jedoch nicht den Fehler zu glauben, man sähe sie als Gast. Sie war eine Gefangene, und man würde sie befragen. Vielleicht würde er selbst es tun. Sie hielten sie für eine Agentin. Das Problem war, daß sie nicht genug wußte, um etwas zu verraten. Die einzigen Geheimnisse, die sie kannte, waren, daß von Orven ein Spion war und Corrisande von den Fey abstammte. Sie hoffte, sie würde beide wahren können.
Der Mann ließ sie los, schloß die Tür hinter ihr und zündete die Lampe an. Sie versuchte, ihm in die Augen zu sehen, doch das war schwierig, denn sein Blick schweifte immer wieder unstet ab. Er schien so unsicher zu sein wie sie. Vielleicht hatte er noch nie eine weibliche Gefangene gehabt.
Ihre Hände waren noch hinter ihrem Rücken gefesselt. Wenn er sie nur losmachte, dann könnte sie vielleicht etwas tun!
Er trat auf sie zu, und sie bewegte sich entsprechend rückwärts auf das Bett zu, das den Raum dominierte. Vermutlich hatte er das geplant. Sie hätte sich auch gewundert, wenn er sie zur Kommode gedrängt hätte. Männer waren Schweine, und das länderübergreifend. Sie kannte zu viele. Ihre Mutter hatte sich über die Jahre von einer Reihe besserer Herren aushalten lassen, hatte ihre Dienste und ihre Verfügbarkeit in Arrangements dargeboten, die zwar nicht mit käuflicher Liebe als solcher zu vergleichen waren, jedoch nicht allzuweit davon entfernt waren. Hochklassige Kurtisanen waren keine Huren, doch auch sie lebten von ihrem Marktwert und mußten zusehen, aus jeder Beziehung möglichst viel für sich herauszuschlagen.
Marie-Jeannettes eigener Marktwert war hoch, und das wußte sie. Sie war achtzehn, süß, hübsch und ausgestattet mit jenen physischen Attributen, die Männer dazu brachten, sie anzustarren. Dieser hier war auch völlig damit beschäftigt. Er sah wie ein hungriges Nagetier aus, doch das war im Moment nicht wichtig.
Zwei Arten gab es, dies zu überstehen, als Opfer oder als Siegerin. Opfer wollte sie nicht sein.
Sein Blick strich über ihren Körper, fast spürte sie die Berührung. Abscheulich. Ihre Blicke trafen sich, und er besaß genug Anstand, zu erröten und ein wenig unbehaglich dreinzuschauen. Möglicherweise war er ja nicht böse. Auch hatte er sie bisher nicht angefaßt, betrachtete sie nur gebannt, sog ihr Bild gleichsam in sich auf. Das allein machte ihn noch nicht zum Schuft, mit diesem Benehmen stand er wahrlich nicht allein da, ähnliche Reaktionen zeigten die meisten Männer bei ihr. Galante Gentlemen waren manchmal etwas reservierter, doch dieser hatte keinen Grund, galant zu sein.
Sie fragte sich, was er wohl über sie dachte. Glaubte er, sie sei die Gattin des Mannes, den sie gefangen hatten? Glaubte er, sie sei ein anständiges Mädchen? Oder dachte er, sie sei ein Mädchen, das man für ihre Dienste bezahlte?
Vermutlich letzteres. Es würde ihm alles erleichtern, wenn er selbst glaubte, sie sei eine wertlose Metze, und Männer
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