Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
versuchte, ein Schaudern zu unterdrücken. „Nicht sehr. Es ist nicht wichtig. Ich kann gehen. Bestimmt kann ich gehen. Ich wäre auch nicht ohnmächtig geworden, aber da war etwas in der Höhle mit uns. Es hat mir das Messer aus der Hand genommen und in Stein geschrieben.“
Die Nachricht war noch lesbar.
„Was kann das bedeuten?“ fragte sie. „Wer hat das getan?“
Er musterte die Inschrift.
„Konnten Sie denn niemanden sehen?“
„Nein.“ Sie hob ihre Hand, die das Messer gehalten hatte. Ein dunkler Bluterguß war darauf sichtbar. „Jemand hat mir das Messer abgenommen. Es hat wehgetan wie ein Peitschenhieb. Was bedeutet das?“
„Delacroix ist ein Freund. Er versteckt sich im Berg vor von Waydts Männern zusammen mit einem Meister des Arkanen. Vielleicht haben sie sich irgendwie unsichtbar gemacht. Allerdings begreife ich nicht, warum er Sie verletzen mußte.“
Sie standen beide auf, und er schwankte einen Moment lang. Sie spürte deutlich, wie sehr ihm seine Schwäche zuwider war. Sie merkte auch, daß ihm ihre Nähe mindestens genauso widerstrebte. Doch daran ließ sich nichts ändern.
Er nahm die Lampe, suchte in seinem Rock nach Streichhölzern. Um die Kerze in der Laterne anzuzünden, brauchte er beide Hände und haßte jede einzelne Bewegung, die sie mit ihm mitmachen mußte.
„Herr Meyer, bitte lassen Sie sich erklären …“
Er ging auf den Tunnel zu, und sie lief an seiner Seite, hatte keine Wahl, zurückzubleiben.
„Herr Meyer, bitte! Sie müssen Graf Arpad helfen! Leopold sagt, sie wollen ihn verbrennen! Bitte lassen Sie das nicht zu! Bitte!“
Er sagte nichts, zog sie nur mit sich mit, während die Handschellen in ihr Handgelenk schnitten.
„Herr Meyer, ich weiß, was Sie von mir halten müssen. Und es ist meine Schuld. Ich wünschte, ich könnte Ihnen erklären … aber … bitte! Lassen Sie ihn nicht sterben! Er verdient es nicht, ermordet zu werden. Bitte!“
Er schob sie vor sich her, den Gang entlang in die Dunkelheit. Sie ging voran, den gefesselten Arm nach hinten ausgestreckt.
„Passen Sie auf, wo Sie hintreten, Fräulein von Sandling! Wenn Ihre einseitige Beschäftigung mit dem Schicksal Ihres Buhlen Sie in einen Felsspalt fallen läßt, werde ich Sie im Moment wohl nicht wieder hochziehen können. Wir würden beide abstürzen. Ich habe noch ein paar wichtige Dinge zu tun. Und ich habe nicht vor, wegen Ihrer liederlichen Unachtsamkeit zu sterben.“
„Herr Meyer, er ist nicht mein …“
„Konzentrieren Sie sich darauf, wohin Sie Ihre Füße setzen. Eine Laterne für uns beide macht nicht genug Licht. Und ein für alle Mal: Ich interessiere mich nicht für Graf Arpads Schicksal. Ich habe mich um wichtigere Dinge kümmern. So ich kann, werde ich Sie hier rausbringen. Tun Sie nur genau das, was ich sage. Haben die Männer mich gesehen … mit ihm?“
Sie wußte, was er meinte. Er wollte wissen, ob man Arpad dabei beobachtet hatte, wie er von ihm trank, ihn in den Armen hielt, ihn so intim und zutiefst privat berührte.
„Nein. Als sie kamen, lagen Sie bereits bewußtlos da. Ich habe ihnen gesagt, Sie hätten gegen ihn gekämpft und verloren.“
Er schnaubte.
„Peinlich. Doch es hätte vermutlich schlimmer kommen können.“
„Herr Meyer. Ich wollte Ihnen noch dafür danken, daß Sie sich Arpad für mich …“
Mit einer plötzlichen, wütenden Bewegung schleuderte er sie mit dem Gesicht voraus gegen den Felsen, geradeso wie von Waydt es getan hatte. Der Aufprall trieb ihr die Luft aus den Lungen, und sie jaulte auf, voller Angst vor mehr Schmerz und Erniedrigung.
„Fräulein von Sandling, wenn Sie jemals mir oder irgendeinem anderen Menschen gegenüber erwähnen, was in dieser Höhle zwischen mir und diesem Monster vorgefallen ist, kann ich für die Folgen nicht garantieren. Wie Sie sich seiner perversen Lust und seinem kannibalistischen Trieb haben hingeben können, kann ich nicht begreifen, nicht einmal näherungsweise. Es widert mich an, auch nur daran zu denken. Ich werde versuchen, Sie hier herauszubringen, und dann hoffe ich, Sie nie wieder zu sehen. Und ich schwöre Ihnen, daß ich Ihnen persönlich Ihren abgeleckten und zerbissenen Hals umdrehe, wenn Sie jemals jemandem verraten, daß ich mich von diesem Ding habe berühren lassen. Habe ich mich deutlich verständlich gemacht?“
Sie wandte sich nur von ihm ab und nickte. Ein dünnes Rinnsal Blut lief ihr aus dem linken Nasenloch. In ihrem Mund konnte sie das Blut schmecken. Nasenbluten.
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