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Samarkand Samarkand: Roman (German Edition)

Samarkand Samarkand: Roman (German Edition)

Titel: Samarkand Samarkand: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Politycki
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Kauderwelsch, das ihm auch hier sogleich Sympathien brachte. Usbekistan sei ein schönes Land, es habe mehr zu bieten als türkis gekacheltes Weltkulturerbe.
    Der Major grinste, in der Tat, das habe es. Ob Kaufner auch etwas für ihn habe?
    Nein, kein Geld, ein Usbeke sei nicht zu bestechen. Verständnis wollte er. Verständnis für die Verhaftung, das Verhör, die grundsätzliche Vorsicht, die geboten war, hier und heute und überhaupt. Usbekistan sei ein kleines Land, nicht nur von Freunden umgeben. Da müsse man doppelt aufpassen.
    Kaufner nickte. Aber verboten sei das Befahren von Straßen ja selbst hier nicht, oder doch?
    Nein, versicherte der Major beim Abschied, man müsse allerdings unten sehen, welche Art von »Wandervögeln« sich in der Gegend herumtreibe, weil es »oben« (er meinte die Berge) derzeit kaum möglich sei. Der Schönheit Usbekistans wegen kämen sie ausnahmslos alle; was sie tatsächlich im Gepäck oder im Schilde führten, wisse Kaufner ja wohl.
    Kaufner wußte es nicht, nickte jedoch. Der Kommandant hielt ihn offenbar für dermaßen harmlos, daß er wenigstens seine eignen Spitzfindigkeiten dagegenstellen wollte.
    Das kleine Bürschlein, schloß der Major, indem er mit dem Finger auf Jonibek zeigte, das kenne er, das komme öfters hier durch. Aber Kaufner? Wer wisse schon, was einer, der nicht mal grüße, auf einer Brücke anstellen wolle?
    Der Major war auch nichts anderes als ein Friedenswächter und nahm seine Aufgabe ernst. Bevor er Kaufner und sein »Bürschlein« zurücktransportieren ließ zum Ort ihrer Verhaftung, auf daß sie von dort im eigenen Wagen und ohne weitere Umwege nach Hause führen, ließ er seine Mannschaft zum Abschied strammstehen und salutieren.
    Die Sache war so glimpflich ausgegangen, daß Kaufner fast gute Laune hatte, dabei war er auf ganzer Linie gescheitert. Während sie zurückfuhren nach Samarkand, Jonibek in anhaltender Sorge, ob die Angelegenheit nicht doch »nach oben gemeldet« werden und bei den Behörden oder gar der Polizei landen würde, Kaufner in kopfschüttelndem Erstaunen darüber, wie wohlgeordnet der Alltag unter einem diktatorischen Regime selbst in Kriegszeiten verlief, fand zweihundert Kilometer weiter nordwestlich das größte Kriegsverbrechen statt, das Usbekistan seit Timurs Gewaltherrschaft zu erleben hatte.
    Noch immer dunkler Himmel über dem Turkestanrücken. Aber das Gewitter ging an diesem Tag andernorts nieder.

    Im
Atlas Guesthouse
hellste Aufregung, niemand interessierte sich für Kaufner und warum er schon wieder zurückgekehrt war. Jonibek wurde nur kurz von Maysara umarmt, aufschluchzend dankte sie Gott, daß er heute außer Haus gewesen, »sonst hätten sie dich wahrscheinlich gleich mitgenommen«.
    Nun waren sie also gekommen. Und hatten gefunden. Die Unstimmigkeiten in Shers Büchern. Aber auch religiöse Schriften, die sie vor aller Augen in einer Schublade seines Schreibtischs deponiert, dann überrascht hervorgezogen und als islamistische Propaganda beschlagnahmt hätten. Hochsubversive Schriften, die auf dem Index standen. Bei einer Runde Wodka habe Sher immerhin Ratenzahlung vereinbaren können, bloß kein Aufsehen, nichts Offizielles, die Polizisten hätten zugesichert, keine Meldung nach oben zu machen. Plötzlich habe sich der, der damals so abrupt vom Frühstückstisch aufgestanden, über Shers Alkoholkonsum beschwert, ob hier vielleicht auch andre Drogen versteckt seien? Dabei habe er ein Plastikbeutelchen mit weißem Pulver aus der Tasche gezogen und herumgezeigt, Maysara sei heulend zusammengebrochen. Noch schlimmer als Erpressung seien die Lager, über die Foltermethoden kursierten schaurige Gerüchte.
    Dabei waren Sher und seine Familie glimpflich davongekommen. Als er in einem Anfall plötzlicher Erleuchtung seine sämtlichen Pornokrawatten unter den Polizisten verteilt habe, sei sogar etwas wie Stimmung aufgeflackert; beim Abschied habe man ihm versichert, nicht so bald wiederzukommen. Im ganzen Viertel hätten an jenem Tag Hausdurchsuchungen stattgefunden. Dilshod und Firdavs seien auf offener Straße wegen »Rowdytums« verhaftet worden, wahrscheinlich steche man ihnen bereits Nadeln in die Fußsohlen oder verpasse ihnen Elektroschocks. Auf die Polizei könne man sich in diesem Land verlassen.
    Insofern war man einigermaßen zerzaust, als man sich abends zum
Aktuellen Blickpunkt
in Shers Büro versammelte. Kaufner gehörte so fraglos dazu, als wäre er heute nur auf einem Tagesausflug gewesen. Und dann

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