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Samarkand Samarkand: Roman (German Edition)

Samarkand Samarkand: Roman (German Edition)

Titel: Samarkand Samarkand: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Politycki
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gestern oder morgen verbannen. Mittags servierte der Alte Tomaten, Gurken, Fladenbrot, dazu Schafskäse, mit ein paar Spritzern Öl vermengt: köstlich. Wie es sich auf einem Teebett gehörte, aß Kaufner im Liegen, um ihn herum strömte das Schöne zusammen. Zum ersten Mal vermeinte er, die trunknen Preisungen der Derwische zu verstehen, wenn sie in allem, was geschah, das Walten des Göttlichen sahen. Als der Alte nach der Mahlzeit Pfefferminztee brachte, war es so heiß, daß sein Beinstumpf zu bluten begann. Aber er bemerkte es kaum, so sehr freute er sich über Kaufner und dessen Trägheit, die ihm sein Wächteramt erleichterte:
    »Vor dem Tee fehlt die Kraft zu arbeiten«, zitierte er das usbekische Sprichwort, »nach dem Tee fehlt die Lust.«
    Seltsam, besann sich Kaufner kurz, in Samarkand hatte er mit den Tadschiken sympathisiert, hier sympathisierte er mit den Usbeken. Womöglich aus dem simplen Grund, weil er auch als Deutscher in Deutschland mittlerweile ein Gefühl dafür entwickelt hatte, was es hieß, zu einer Minderheit zu gehören.
    Bis vor wenigen Tagen habe er einen Gefangenen beaufsichtigt, unterbrach der Alte die Gedankengänge Kaufners: Der General habe dessen Körper rundum mit fetten Schafsschwänzen bedecken, in Filz fest einrollen und verschnüren lassen. Nur Gesicht und Füße hätten noch hervorgesehen. Nach einem knappen Monat sei der Gefangene vollständig von Maden und Würmern aufgefressen gewesen.
    In diesem Garten?
    Kein besserer Platz, um zu sterben! Der Garten des Generals, jedenfalls seit einem knappen Vierteljahr, da sei er »frei geworden«. Der Alte redete mit großer Ehrfurcht von Feisulla, an seinen Händen klebe das meiste Blut, allein seinetwegen hätten sie überlebt. Als er zum Abendessen selber erschien, der Anführer des
Bundes vom Schwarzen Hammel
, mächtigster Mann auf dieser Seite des Flusses, trug er zu seinem gefleckten Tarnanzug weiße Turnschuhe mit roten Schnürsenkeln. Besorgt erkundigte er sich nach Kaufners Wohlbefinden und ob es ihm den Tag über an nichts gefehlt habe. Vor der Mahlzeit betete er, indem er die Augen schloß und die Hände an den Fingerspitzen zusammenlegte, die Handflächen schalenförmig nach oben. Halblaut sprach er das Gebet, am Schluß strich er sich mit beiden Händen von oben nach unten übers Gesicht, als wolle er etwas wegwischen, und legte die Hand aufs Herz. Genau wie Odina. Dann erst schlug er die Augen wieder auf.
    Es gab Plov, der Alte entschuldigte sich, daß es seine Frau gemacht hatte. Plov sei Männersache, gewiß, aber er sei ja verhindert gewesen. Plov vom Rind! Mit Reis, gelben Rüben, Zwiebeln, Kümmel, Knoblauch, alles in reichlich Baumwollöl. Feisulla sah gierig zu, wie das ganze Teebett mit Platten bedeckt wurde, brach seinem Gast das Brot, suchte ihm die fettesten Bissen heraus, bevor er mit bloßen Händen zu essen begann, zielstrebig schmatzend, mitunter ein besonders gutes Stück aus seinem Teller herausklaubend und auf denjenigen Kaufners legend. Der Stier gestern sei ein Prachtkerl gewesen, das schmecke man. Seine Hände sahen so aus, als hätten sie ein Leben lang nur Handys, Fleisch und Frauenkörper berührt.
    Anschließend ein Nudelsalat mit Gurke und Gebratnem, ein Kräutersalat mit Walnüssen: köstlich. Wie es sich auf einem Teebett gehörte, wurde über Gott und die Welt geredet. Nein, zum Zaun gehe es nicht vor Mitternacht, sie hätten Zeit. Feisulla kaute einen mit Gewürzen vermengten Tabak, er sah so müde aus wie am Abend zuvor. Plötzlich wischte er alles bisher Gesagte mit einer pathetischen Handbewegung weg und wollte Verständnis. Verständnis für Kaufners Gefangensetzung, das Verhör, die grundsätzliche Vorsicht, die in seinem Reich geboten war, hier und heute und überhaupt.
    Bis vor einem halben Jahr sei er Lehrer gewesen, glücklich verheiratet, Vater von zwei kleinen Buben. Nun sei er Krieger, unglücklich verwitwet, habe keine Söhne mehr. Bis vor einem halben Jahr habe er Literatur geliebt: »Auch die persische, Ali, die sogar besonders!« Nun liebe er seine Kalaschnikow, und die persische Litertur sei ihm verdorben, weil ihm die Tadschiken verhaßt seien. Was Kaufner an seiner Stelle denn getan hätte?
    Kaufner wehrte sich dagegen, Sympathie für Feisulla zu empfinden. Überall auf der Welt war es der gleiche Krieg, mit Vorliebe verschlang er diejenigen, die nichts mit ihm zu tun hatten. Kurz erwog Kaufner, von seiner eigenen Geschichte zu erzählen. Aber Feisulla erwartete nicht mal

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