Samtpfoten im Schnee
Gentleman.«
»Das kannst du nicht wissen. Er könnte ein Schurke allererster Güte sein. Stephanie, denk daran, dass du keinerlei Erfahrung mit dieser Art von Männern hast.«
»Frag mich nicht, woher ich es weiß, aber so ist es nun einmal.« Sie tätschelte ihrer Tante den Arm. »Ich mache mir mehr Sorgen um Mama und sein Mündel. Ich habe so eine Ahnung, dass sie im Umgang mit Kindern völlig hilflos ist.«
»Ich werde mich darum kümmern. Liebes, hilfst du mir beim Abendessen? Betsy ist endlich eingeschlafen, und ich würde es hassen, sie wieder wecken zu müssen.«
»Natürlich.« Stephanie schickte ihre Tante mit einer Handbewegung aus der Küche und begann, einen Teller mit dünn geschnittenem Schinken, geräucherten harten Würstchen, verschiedenen Sorten Käse und gerösteten Brotscheiben an-zurichten. Das sollte dem Marquis gefallen, dachte sie.
Sie durchquerte gerade den Schankraum, als Lord Donningtons Lakai zusammen mit dessen Kutscher die letzten Gepäckstücke hereintrugen.
»He, Mädchen!«, rief Dennis, der Lakai, »schenk uns mal ein großes Bier ein!«
»Bitte einen Augenblick«, erwiderte sie.
»Bitte einen Augenblick«, säuselte er und machte sich über ihre kultivierte Ausdrucksweise lustig. »Warum äffst du deine Herrschaft nach? Du bist doch nur ein Schankmädchen.«
Stephanie reckte das Kinn vor und atmete tief durch, um ihren aufsteigenden Unmut zu beherrschen. »Wir werden Euch gleich bedienen. Aber zuerst werde ich Lord Donnington diesen Imbiss bringen.«
Die Erwähnung dieses Namens reichte, den Diener an seinen Herrn zu erinnern. Dennis stellte sich vor den Kamin und rieb sich vor dem Feuer die Hände. »Dann beeil dich mal. Wir frieren und sind auch hungrig.«
Sie nickte knapp und verließ rasch die Wirtsstube. Tante Caroline hatte Recht. Einige Männer konnten beleidigend sein. Von diesem jungen Lakaien würde sie sich fern halten.
Mit ihm könnte es Ärger geben.
Stephanie atmete ein weiteres Mal tief durch, ehe sie den Salon betrat. »Onkel George, die Dienerschaft Lord Donningtons wünscht bedient zu werden. Wirst du dich darum kümmern?«
Der Marquis warf einen Blick auf ihr Gesicht und kniff die Augen zusammen. »Hat es mit Dennis ein Problem gegeben, Miss Blythe?«
Sie wich seinem Blick aus, während sie das Tablett absetz-te und den Tisch eindeckte.
»Im Umgang mit dem weiblichen Geschlecht ist er manchmal recht frech«, erklärte er. »Ich werde mit ihm reden.«
»Das ist nicht nötig, Mylord. Außerdem wünsche ich nicht, für eine Klatschbase gehalten zu werden.« Sie knickste und ging zur Tür.
»In Anbetracht der Umstände ...«
Seine Stimme hielt ihren Rückzug auf. »Euer Onkel hat mir von den Umständen erzählt, mit denen Ihr und Eure Frau Mutter Euch konfrontiert seht. Ich werde nicht dabei-stehen und zusehen, wie meine Dienstboten Damen belästigen. Deshalb werde ich mit ihnen reden.«
»Und wie verhält es sich bei Frauen niederen Standes, Mylord?« Überwältigt von ihrer Nervosität fuhr sie herum und sah ihn an. Die Worte brachen aus ihr heraus, als hätte sie keine Kontrolle über sie. »Müssen sie die raue Sprache eines Mannes ertragen, nur weil sie Frauen sind?«
Der Marquis war offensichtlich verwirrt.
Ebenso wie Stephanie selbst. Sie hielt die Hände an ihre brennenden Wangen. »Mylord, es tut mir schrecklich Leid!
Ich hätte niemals so ... impertinent sein dürfen!«
»Nein, nein«, erwiderte er nachdenklich. »Ihr habt ja Recht. Danke, dass Ihr so offen mit mir gesprochen habt.«
»Aber ich hätte nicht...« Zerknirscht senkte sie den Kopf.
»Ich habe darüber noch nie nachgedacht«, stellte er mit Verwunderung fest und schüttelte den Kopf. »Und dabei ha-be ich mich stets für jemanden gehalten, der anderen gegen-
über gerecht und nicht gedankenlos ist, ungeachtet deren Stellung im Leben.«
»Ich bin überzeugt, das seid Ihr.« Sie machte ein paar Schritte zur Tür.
»Aber ich war es nicht. Ihr habt mir eine Lektion erteilt, Miss Blythe.«
Stephanie fragte sich, ob er aufrichtig war oder sie nur neckte. Aber auf seinem Gesicht lag kein Lächeln, in seinen Augen kein mutwilliges Funkeln. Erleichtert schloss sie die Hand um den Türknauf aus Messing.
»Ihr entschuldigt mich bitte, Lord Donnington? Ich habe noch viel zu tun.« Sie schlüpfte aus der Tür, ehe er die Gelegenheit hatte, etwas darauf zu erwidern. Im Korridor lehnte sie sich für einen Moment gegen die Wand. Du lieber Himmel, wie hatte ihr die Zunge nur so
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