Samuel Carver 01 - Target
wurde munter und blickte ihm direkt in die Augen. »Haben Sie sich vorgestellt, wie es wäre, mit mir zu schlafen?«
Carver atmete scharf ein. »O Mann, Sie können ziemlich unverblümt sein, wie?«
Sie lachte mit der Zufriedenheit einer Frau, die auf die zielstrebige Schlichtheit der Männer im Allgemeinen herabsieht und trotzdem stolz ist, über einen im Besonderen diese Macht zu haben. »So, wie Sie mich angesehen haben, war das nicht schwer zu erraten.«
»Meinen Sie? Ich wünschte, es wäre so einfach.«
Das überraschte sie. »Wie meinen Sie das?«
»Kann schon sein, dass ich an Sie denke. Aber ich frage mich auch, warum ich mich in eine Lage gebracht habe, wo ich überhaupt auf solche Gedanken kommen kann. Ich versuche zu ergründen, wie hoch das Risiko ist, wenn ich Sie in mein Leben lasse.«
Sie nickte. »Hm, das grenzt an Kopfzerbrechen.«
Jetzt musste er lächeln. »Vielleicht bin ich nachdenklicher, als ich aussehe.«
»Tatsächlich? Naja, ich bin zu müde, um mich mit Ihren Gedanken zu beschäftigen.« Sie reckte sich, lockerte die Schultern, dann lehnte sie sich in ihren Sitz.
»Wecken Sie mich, wenn wir da sind«, sagte sie. »Egal, wo das ist.«
Carver wartete, bis Aliks wieder fest eingeschlafen war; dann stand er auf und ging den Gang hinunter zu der kleinen Plattform an den Zugtüren. Er nahm sein zusätzliches Handy heraus und wählte eine Londoner Nummer. Eine Frau meldete sich. »Hallo?« Eine müde, spröde Stimme. Carver hörte im Hintergrund einen Säugling schreien.
»Tag, Carrie«, sagte er. »Hier Pablo. Ist Bobby da?«
»Es geht mir gut, danke«, gab sie zur Antwort. »Und ja, ich würde dir zu gern alles erzählen, was ich gemacht habe in den drei Jahren, seit du dich zuletzt bequemt hast, hier anzurufen.«
»Es tut mir leid, Carrie. Du weißt, ich würde mich wirklich gern mit dir unterhalten, aber nicht jetzt. Kann ich kurz mit Bobby sprechen?«
»Ich hole ihn her.«
Carver hörte sie rufen: »Liebling! Telefon für dich!«, dann ein Knacken, als ein zweiter Hörer abgenommen wurde. »Moment noch«, sagte eine Männerstimme. Dann gab es einen gedämpften Zuruf: »Bin dran«, und die Hintergrundgeräusche von Mutter und Kind verschwanden.
»Entschuldigung, so ist es besser«, sagte der Mann.
»Tag, Bobby, hier ist Pablo.«
»Mann, schön, dass du anrufst. Was hast du in der Zwischenzeit so getrieben? Es ist eine Ewigkeit her.«
»Ja«, sagte Carver. »Tut mir leid, dass ich so ungesellig bin, aber ich hatte nicht viel Zeit. Hast du eine Nummer von Trench? Ich muss ein Wort mit ihm reden. Soweit ich weiß, ist er in den Ruhestand gegangen.«
Bobby lachte. »Ruhestand? Naja, er ist kein CO mehr, aber Ruhestand würde ich das nicht unbedingt nennen. Ein bisschen Sicherheitsberatung hier, einen Aufsichtsratsposten da – der Alte ist eine bewegende Kraft. Warum willst du ihn sprechen? Suchst du einen Job?«
»Etwas in der Art. Aber hast du nun die Nummer oder nicht?«
»Ja, sicher. Warte einen Moment.« Es gab eine kurze Pause. »Ja, hier ist sie …«
»Danke, Kumpel. Wir sollten eigentlich mal wieder ein bisschen plaudern, uns erzählen, was so losgewesen ist. Aber wie ich eben gehört habe, seid ihr auch ziemlich beschäftigt gewesen. Ich freue mich für euch. Ich habe immer gedacht, dass du mal einen großartigen Vater abgeben würdest. Aber ich kann jetzt wirklich nicht weiterreden. Ich melde mich später wieder, ja?«
Carver legte auf. Er dachte an seine letzte Begegnung mit dem Colonel. Quentin Trench war ihm ein Freund, sogar eine Vaterfigur gewesen. Carver hatte damals noch Paul ›Pablo‹ Jackson geheißen und war kürzlich bei den Royal Marines ausgeschieden, ein ehemaliger Offizier und Gentleman, der selbstzerstörerisch geworden war und sich zu einem zänkischen Säufer entwickelt hatte. Er hatte gerade die Nacht in einer Zelle verbracht, eine Gefälligkeit der Polizei von Dorset. Er war dort regelmäßiger Gast gewesen.
»Hallo Pablo. Das ist nicht besonders gescheit«, hatte Trench damals gesagt, als er an dem Polizisten vorbei hereingekommen war und einen Blick in die Zelle geworfen hatte.
»Nein, bestimmt nicht«, hatte Carver geantwortet und sich geschämt, dass Trench ihn so sah, zumal ihm klar gewesen war, dass er nicht nur sich, sondern auch den alten Mann blamierte.
»Noch immer widerborstig?«
»Ja.«
»Warum lassen Sie es nicht an jemandem von gleicher Statur aus?«
»Wie meinen Sie das?«
»Sie können Ihre Fähigkeiten besser nutzen,
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