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Samuel Carver 02 - Survivor

Samuel Carver 02 - Survivor

Titel: Samuel Carver 02 - Survivor
Autoren: Tom Cain
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sie sich vorkam wie eine Mutter mit einer Schar behinderter Kinder. Doch von allen gab sich nur Carver wirklich Mühe, er war mit Herz und Seele dabei, und wenn der Trainer ausrief: »Gut gemacht, Samuel!«, wurde Carver vor Freude rot im Gesicht.
    Der alte Samuel Carver wäre lieber gestorben, als sein Leben als dieser grinsende Tropf zu verbringen.
    Darum war es vielleicht ganz gut, dass er keine Erinnerung an sein früheres Leben hatte. Er wusste nichts mehr von seiner Zuversicht und seinem Können, nichts mehr von der Kraft, die aus seinem absoluten Vertrauen in seine Fähigkeit wuchs, sich selbst und andere zu schützen und seine Gegner zu vernichten. Sein trockener Humor war nicht mehr da. Er hatte sogar kein Bedürfnis mehr nach Sex.
    Aliks quälte der Gedanke, der sich an manchen Tagen ungebeten einschlich, dass auch sie besser dran wäre, wenn Carver nicht überlebt hätte. Es war ein grausamer, hassenswerter Gedanke, der aber eine unabweisliche Wahrheit enthielt. Sie war nicht bloß niedergeschlagen wegen seines Zustands, sie war auch wütend darüber und wütend auf ihn. An dieser Beziehung gab es keine gute Seite. Sie hatte nichts davon, außer dass sie wusste, sie würde sich noch schlechter fühlen, wenn sie ihn verließ.
    Aber der neue Carver war niedlich, und das war das Seltsamste von allem. Aliks musste sich manchmal vor Augen halten, dass der Mann, den sie vermisste, den sie betrauerte, ein Auftragsmörder gewesen war, der mit seiner zielgerichteten Brutalität nur einen Schritt vom Psychopathen entfernt war. Der kindliche Charakter, den er bekommen hatte, war ohne jede Arglist, unfähig, etwas Böses zu tun. Auch sein Lächeln spiegelte nur Unschuld wider.
    Aber was sollte aus ihm werden? In der rechten Hand hielt Aliks einen zerknitterten Umschlag. Darin war ein Brief von Marchand. Er bestätigte den Erhalt von etwas mehr als fünftausend Schweizer Franken, die während der vergangenen Wochen gezahlt worden waren, stellte aber gleichzeitig mit Bedauern fest, dass das nicht annähernd genug sei, um Mr Carvers Rechnung zu begleichen. Leider bliebe ihm nichts anderes übrig, als eine letzte Frist zu setzen. Die ausstehende Summe sei innerhalb der nächsten sieben Tage zu zahlen, wenn nicht, werde man den Patienten bitten, die Klinik zu verlassen, und rechtliche Schritte einleiten, um die Schulden einzutreiben.

20
    Nach dem Besuch bei Waylon McCabe fragte sich Vermulen, in was er da eigentlich hineingeriet. Ihm war klar, dass er nicht wählerisch sein durfte. Nachdem er monatelang ignoriert worden war, konnte er einem einflussreichen Unterstützer mit milliardenschwerem Bankkonto keine Abfuhr erteilen. Aber er war nicht naiv. Vermutlich verfolgte McCabe seine eigenen Absichten, die offenbar religiös motiviert waren. Für Vermulen war der islamistische Terrorismus zuerst und vor allem eine Sicherheitsfrage. Er hatte das christliche Element in seine Rede nur einfließen lassen, um seine Zuhörer für sich zu gewinnen. Dieser McCabe setzte ganz andere Prioritäten und würde seine Ansichten früher oder später in die Öffentlichkeit bringen.
    Allerdings hatte er in einer Sache recht, das musste Vermulen zugeben. Es reichte nicht, den Leuten von der Bedrohung zu erzählen, man musste sie ihnen auch zeigen. McCabe schlug eine sogenannte False-Flag-Operation vor, eine Aktion, die mit den Mitteln der Täuschung eine Reaktion provozieren sollte. Vermulen war nicht ganz wohl dabei. Selbst wenn das Ziel die Mittel rechtfertigte, so war nicht abzusehen, welche Formen diese Mittel annehmen würden. Vierzehn Tage lang versuchte er, eine Lösung zu finden. Dann fiel sie ihm durch einen Zufall in den Schoß.
    Pavel Novak, ein alter Bekannter, kam in die Stadt und bestand darauf, mit ihm zu einem Eishockeyspiel zu gehen, die Washington Capitals gegen die Chicago Blackhawks. Vermulen hatte den Eindruck, als würde er ein paar Psychos auf Schlittschuhen dabei beobachten, wie sie sich die Seele aus dem Leib prügelten. Novak dagegen boxte ihm gegen den Oberarm und schrie ihm ins Ohr: »Das, mein Freund, ist richtiger Sport!«
    Vermulen war sich da nicht so sicher. Sein Spiel war Football, und die Pittsburgh Steelers waren seine Mannschaft. Novak war allerdings Tscheche. Er war zu der Zeit aufgewachsen, als Eishockey ein Symbol des tschechischen Nationalstolzes gewesen war, ein Feld, auf dem die Tschechen ihre russischen Unterdrücker besiegen konnten. 1968, als die Panzer der Roten Armee in Prag einfuhren, um die
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