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Samuel Carver 04 - Collateral

Samuel Carver 04 - Collateral

Titel: Samuel Carver 04 - Collateral Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Cain
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Feind – zu viert waren sie – ins Blickfeld kam, dann bestrich er sie mit überwältigender Feuerkraft.
    Er hatte nur nicht damit gerechnet, dass es einen fünften Eindringling geben könnte.

60
    Carver küsste die rote Seidenstola und legte sie sich um den Hals. Er stellte das Messkännchen, den Kelch und schließlich die Pyxis mit den Hostien bereit, der Waffe für seinen Anschlag.
    Als er die Agende auspackte, wurde er zum ersten Mal nervös. Ob Schauspieler, Sportler oder Killer – jeder brauchte Nerven, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Sie schärften seine Wahrnehmung und Konzentration. Er hatte jetzt keine Zweifel mehr, ob es richtig war, was er tat. Sobald er sich entschieden hatte, den Auftrag anzunehmen, war für ihn Schluss mit Argumentieren. Die Entscheidung war gefallen, und er blieb dabei.
    Er hörte Schritte und respektvoll gedämpfte Stimmen die Treppe herunterkommen. Sein Magen zog sich zusammen. Gleich ging’s los. Die Wohnzimmertür öffnete sich, und die Leibwächter nahmen Haltung an, als Moses Mabeki hereinkam und zur Seite trat, um das Präsidentenehepaar an sich vorbeizulassen.
    Carvers Blick fiel zuerst auf Faith Gushungo. Sie war viel größer als erwartet, mindestens so groß wie er, und ihre Erscheinung wurde außerdem durch einen leuchtend gemusterten seidenen Kopfputz gestreckt. Ihre Augen waren hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen, und ihre Mundwinkel in unerbittlicher Ablehnung herabgezogen.
    »Warum ist Gibson nicht hier?«, fragte sie barsch, ohne abzuwarten, dass der Neue sich vorstellte.
    Carver nahm die schmeichelnde Haltung eines sanftmütigen, leicht einzuschüchternden Geistlichen an. »Es tut mir schrecklich leid, aber er hat eine Magenverstimmung.«
    Die First Lady stieß ein verächtliches »Pah!« aus, und da erst bemerkte Carver, dass sie die Situation in den letzten Augenblicken völlig dominiert und er ihren Ehemann nicht im Geringsten beachtet hatte.
    »Der Präsident von Malemba, der Ehrenwerte Henderson Gushungo«, sagte Mabeki.
    Der Mann, der mit ausgestreckter Hand vortrat, war eine ebenso überraschende Erscheinung wie seine Frau, aber in gegenteiliger Weise. Carver hatte einen Menschen erwartet, der die gleiche Macht und Bosheit ausstrahlte wie Mabeki, nur um ein Hundertfaches verstärkt. Das war schließlich der Diktator, der sein Land seit drei Jahrzehnten eisern im Griff hatte, der die Wirtschaftskraft vernichtet hatte, sein Volk folterte, seine Feinde besiegte, die Weltöffentlichkeit empörte, ohne dass sie etwas gegen ihn unternehmen konnte.
    Doch von diesem Mann war nur eine verhutzelte Hülle übrig. Gushungos Gesicht war verschrumpelt wie eine Dörrpflaume. Auf dem Kopf waren nur vereinzelte graue krause Büschel übrig. Sein Körper war so weit geschrumpft, dass er aussah wie ein Kind im Anzug seines Vaters. Die Hand, die er Carver entgegenstreckte, zitterte. Mit der anderen stützte er sich auf den Elfenbeingriff eines Gehstocks.
    Um diesen klapprigen alten Knacker zu töten, war Carver um die halbe Welt gereist.
    Kurz fragte er sich, warum er sich die Mühe machen sollte. Gushungos verbleibende Lebenszeit war eher in Monaten oder Wochen zu messen als in Jahren. Doch dann dachte er an Canaan und Farayi, die in Malemba in der Zelle saßen. Ihre verbleibende Lebenszeit wäre auf jeden Fall kürzer.
    Und auf jeden Fall war klar, dass Faith Gushungo die wirkliche Macht im Raum war, genau wie Tshonga behauptet hatte. Sie war das primäre Ziel. Dann sah er eine kaum merkliche Verständigung zwischen ihr und Mabeki – sie drehte den Kopf um einige Grad in seine Richtung, er verzog geringfügig die Mundwinkel – und Carver dachte: Die stecken zusammen. Und weitere, halb fertige Gedanken schossen ihm durch den Kopf und lösten das unbestimmte Gefühl einer Gefahr aus, das Gefühl, dass etwas nicht ganz so war, wie es sein sollte. Doch jetzt war nicht die Zeit, um solche Gedanken zu verfolgen, denn Carver schüttelte Gushungo die Hand, murmelte »Mr. President« und begab sich dann zur Bar. Er stand vor dem Kreuz, während Mabeki die Gushungos zu ihren Plätzen führte.
    Die Leibwächter, es waren inzwischen vier, nahmen ihre Posten ein, zwei stellten sich hinter den Präsidenten und seine Frau. Dann klopfte es an die Tür, obwohl sie noch offen stand, und zwei junge Chinesinnen in den grauen Kleidern und gestärkten weißen Schürzen der Hausangestellten kamen auf Zehenspitzen herein und bildeten eine dritte Reihe von Gläubigen. Carver

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