Samuel Carver 04 - Collateral
vollkommen ruhig, die andere dagegen neigte sich mit großen Augen zur Seite, um an Carver vorbeizuspähen und zu erfahren, was vorne passierte.
Nun fing auch Faith Gushungo zu husten an.
»Der Leib Christi«, sagte Carver fest und legte Tina Wong die Oblatenhälfte in die Hand.
»Amen«, sagte sie und steckte sie in den Mund.
Carver ging einen Schritt weiter und verstellte der Kollegin den Blick.
»Der Leib Christi«, sagte er.
Auch bei den Leibwächtern zeigten sich die ersten Symptome. Einer beugte sich nach vorn und hielt sich den Bauch.
»Das ist schlecht!«, sagte die Hausangestellte und starrte entsetzt auf die kranken Männer in der Reihe vor ihr. Sie warf die halbe Oblate auf den Boden. »Sie geben uns schlechtes Brot!«
»Ihnen passiert nichts«, zischte Carver. »Jetzt raus mit Ihnen.«
Sie rührte sich nicht.
»Hauen Sie ab!«, sagte Carver.
Tina Wong sprang auf und zerrte sie mit sich, während sie auf sie einredete.
Carver beachtete sie nicht weiter, denn hinter sich hörte er jemanden vom Boden hochkommen. Er drehte sich auf einem Fuß um und rammte dem Leibwächter den Handballen ins Gesicht, als der unbeholfen ins Jackett nach der Pistole greifen wollte.
Sein Kopf wurde zur Seite gerissen, die Halssehnen gezerrt, sein Gehirn durchgeschaukelt. Der Mann taumelte rückwärts, stieß gegen Faith Gushungo und fiel auf sie, die physisch nicht imstande war, ihn abzufangen. Sie landeten gemeinsam am Boden, wo Henderson bereits nach Luft rang wie ein Fisch auf dem Trocknen und zu keiner zielgerichteten Bewegung mehr fähig war.
Moses Mabeki war zwei Schritte ins Zimmer geschlichen und stand still da, um Zalika Stratten zu beobachten. Sie hatte ihn noch nicht bemerkt. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem Samtbeutel. Sie hatte nicht widerstehen können und einen Rohdiamanten von der Größe eines Wachteleis herausgenommen. Er lag auf ihrer Handfläche, und das Licht glitzerte auf den zahllosen Flächen, die darauf warteten, dass der Schleifer sie voll zum Funkeln brachte. Mabeki ließ sie heiter das Gefühl auskosten, diese Kostbarkeit in der Hand zu halten. Es war ein Vergnügen ihr zuzusehen und sich selbst noch ein paar Sekunden lang hinzuhalten, bevor er sie wieder in den Fingern hatte.
Schließlich konnte er nicht länger warten. Er räusperte sich gespielt höflich.
Zalika fuhr herum und riss die Augen auf, als sie Mabeki und die Pistole sah.
»Besser, du gibst mir die Diamanten«, sagte er recht ruhig und beobachtete ihr Mienenspiel, während die Tatsache seiner leibhaftigen Anwesenheit in ihren Verstand vordrang.
Er winkte sie mit dem Zeigefinger wortlos heran.
Selbst nach zehn Jahren noch wirkte der erzwungene Gehorsam von Mosambik in ihr nach. Der glühende Stolz und die Eigenständigkeit, die Zalika während der ganzen Zeit mit Carver so lebendig gemacht hatten, lösten sich auf wie eine Luftspiegelung. Ohne den geringsten Widerstand ging sie zu ihm.
»Steck die Diamanten in deine Tasche und gib sie mir«, sagte Mabeki.
Sie gehorchte. Mabeki schlang sich die Tasche über die Schulter und schlug Zalika ohne Warnung den Pistolengriff an die Schläfe.
Sie wurde davon völlig überrascht. Sie schnappte wimmernd nach Luft und wankte.
Mabeki packte sie am Hals und setzte ihr die Mündung an den Kopf.
»Komm mit«, zischte er ihr ins Ohr. »Es wird Zeit, sich um deinen Freund zu kümmern.«
64
Der Leibwächter unten im Wohnzimmer war der einzige von vieren, der noch auf den Beinen stand. Seine Motorik ließ jedoch bereits gehörig zu wünschen übrig. Carver rammte ihm den Ellbogen an den Adamsapfel, ließ ihn zu Boden gehen und bückte sich über ihn, um ihm an die Kehle zu fassen und die vorgeschädigte Luftröhre zuzudrücken. Dabei tastete er mit der anderen Hand nach dem Schulterholster und zog die Pistole heraus, schob sie sich in den Hosenbund und tastete die anderen Jackentaschen ab. Die Brust des Mannes hob und senkte sich unter schwachen Atemzügen. Die Füße zappelten bei seinem nutzlosen Versuch von Gegenwehr. Carver beachtete das nicht. Ihn interessierten nur die zwei Munitionsclips in der Holstertasche. Er nahm sie heraus und steckte sie ein, dann stand er auf.
Henderson Gushungo lag inzwischen still und reglos da. In seinen letzten Augenblicken hatte er Blut auf den Marmorboden gewürgt. Er hatte außerdem seinen Darm entleert, und der Gestank hing jetzt in der Luft. Der große Diktator war in seiner eigenen Scheiße liegend gestorben. Seine Frau, die halb unter
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