Samuel Carver 04 - Collateral
verfehlte das vordere Motorrad um Haaresbreite, schrammte gegen den Bordstein und darüber weg, sodass seine äußeren Räder den Erdstreifen an der Innenseite der Kurve entlangfuhren. Der Honda neigte sich so weit zur Seite, dass er kurz vor dem Kippen stand, bevor Carver ihn wieder halbwegs in seine Gewalt bekam und das Fahrzeug rumpelnd auf die Straße zurückbrachte. Er holte tief Luft, atmete langsam aus, dann raste er weiter.
Mabeki hatte ein paar Sekunden dazugewonnen. Aber das Rennen war noch nicht gelaufen.
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Patrick Tshonga hatte außerhalb des Zentrums von Sindele einen geheimen Unterschlupf, eine freistehende Villa mit einem großen Gartengrundstück. Sie war eine von mehreren, die er während der Jahre, wo er von Ort zu Ort zog, benutzt hatte, um der Aufmerksamkeit Gushungos zu entgehen. Nur seine engsten Vertrauten wussten von ihrer Existenz, und von denen kannten nur die Vertrauenswürdigsten die genaue Adresse. Er war zu dem Schluss gekommen, dass dies der beste Aufenthaltsort für ihn wäre, wenn die Nachricht von der Besetzung des Sendehauses käme, wo er dann zum ersten Mal als Führer einer freien Nation öffentlich in Erscheinung treten wollte.
Um 2.30 Uhr war eine kleine Abteilung der malembischen Sondereinsatzkräfte auf den Straßen rund um die Villa eingetroffen. Außer ihrer militärischen Ausbildung, die sich am Beispiel des SAS orientierte, brachten sie ihre angeborenen Fähigkeiten mit. Sie konnten stundenlang mit einer Geschwindigkeit rennen, die kein Europäer aufrechterhalten konnte; sie konnten Fuß- und Wagenspuren in der steinigsten Landschaft verfolgen; sie konnten sich so lautlos und unsichtbar wie Geister bewegen, sodass ihre Feinde starben, ehe sie von der Gefahr etwas ahnten.
Als vor dem Sendehaus die Granaten explodierten, knackten zwei Dreierteams die Schlösser der Vorder- und der Hintertür und drangen durch den Flur und die Küche ins Haus ein. Ein drittes Team war im Garten positioniert, um jedem den Weg abzuschneiden, der versuchte, durch ein Fenster zu entkommen.
Küche und Flur wurden gesichert. Das Erdgeschoss hatte zwei Empfangszimmer. Die wurden durchsucht, beide waren leer.
Vorsichtig stiegen die Männer die Treppe hinauf und lauschten auf das Geräusch einer Patrone, die in die Kammer gleitet, während sie jederzeit mit einem Schuss rechneten und den Einschlag einer Kugel ins eigene Fleisch fürchteten. Sie hatten alle den Grundriss des Hauses gesehen. Sie wussten, dass es drei Schlafzimmer, zwei Bäder und einen großen Dachboden gab. Keiner der Räume ließ auf die Anwesenheit eines Menschen schließen.
Erst als die Soldaten, die sich um ihren Erfolg gebracht fühlten, frustriert das Haus verließen, fiel einem die winzige Kamera auf, die dicht unter der Decke an der Flurwand angebracht war.
Also hatte Patrick Tshonga sie beobachtet. Der Befehlshaber der Einheit rief sofort bei seinem Stützpunkt an, um auf die Wahrscheinlichkeit aufmerksam zu machen, dass Tshonga den Verrat vorausgesehen hatte. Als das Gespräch vorbei war, rief er seine Leute zusammen.
»Der Verräter ist vorerst entkommen«, sagte er. »Er lacht über uns. Aber wir werden ihn schnappen, und dann wird er mit Blut bezahlen.«
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Trotz seiner gebieterischen Größe und Würde kann ein Rolls-Royce Phantom auf einer steilen, kurvigen Straße überraschend wendig sein. Moses Mabeki genoss den frühen Sonntagsausflug. Er überforderte seinen Wagen nicht und fuhr die Route Twisk in einem Tempo, bei dem Carver mithalten konnte, wenn er seiner Karre alles abverlangte.
Er fand umso mehr Vergnügen daran, als er die Nachrichten aus Malemba hörte, die er durch seine Bluetooth-Ohrhörer empfing. Der lahme Versuch eines Staatsstreiches war restlos gescheitert. Patrick Tshongas Entkommen war reichlich ärgerlich, aber seine Verbündeten waren alle tot oder festgenommen. Diejenigen, die in Haft saßen, wurden von Fachleuten befragt, die keine Gedanken an Menschenrechte verschwendeten und in der Anwendung von Folter nicht zimperlich waren. Es war nur eine Frage der Zeit, bis einer die Information preisgab, mit der Tshonga aufzuspüren war.
Die Entwicklung in Hongkong war genauso befriedigend. Mabeki hatte Zheng Junjie bereits kontaktiert und ihm Carvers alberne Verkleidung sowie das völlig ungeeignete Fahrzeug beschrieben, das er für sich gewählt hatte.
In seiner Jackentasche hatte Mabeki Zalika Strattens Handy. Er fragte sich, was in Carver vorgehen würde, wenn er wüsste, dass es nicht
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