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Samuel Carver 05 - Collapse

Samuel Carver 05 - Collapse

Titel: Samuel Carver 05 - Collapse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Cain
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überhaupt keine Notaufnahme hatte. Stattdessen konnte es mit einer anderen Besonderheit aufwarten: mit äußerster Diskretion. Und im Falle Malachi Zorns, eines Milliardärs, der bei einer verdeckten Operation in inoffiziellem Regierungsauftrag überfallen worden war, hatte Abgeschiedenheit größere Bedeutung als die Behandlungsqualität.
    Bis der Rettungswagen in den Hof des Krankenhauses fuhr, wo er durch eine hohe, dichte Hecke vor neugierigen Augen geschützt war, hatte auch Carver bereits sein Motorrad dort abgestellt. Er folgte den Sanitätern und der Rollbahre mit dem blutüberströmten Zorn über den Hof, an den Polizisten in Zivil vorbei, die am Vordereingang Wache standen, und in das Klinikgebäude. Im Rezeptionsbereich war niemand bis aufeinen Arzt. Er trug keinen Arztkittel, sondern einen Anzug, und wartete nicht, um eine schnelle Untersuchung des Patienten vorzunehmen, wie man vielleicht erwarten würde. Niemand verabreichte Schmerzmittel, bereitete eine Infusion vor oder machte Anstalten, den reglosen Mann wiederzubeleben. Stattdessen hob er die Decke an, die Zorns Gesicht bedeckte, nickte knapp und sagte: »Legen Sie ihn auf Zimmer 68 im obersten Stock.« Dann stieg er mit Carver zu den Sanitätern und den Patienten in den Aufzug.
    Die Atmosphäre war seltsam ruhig, während sie drei Stockwerke hochfuhren; es herrschte das übliche unsichere Schweigen, und jeder mied den Blick des anderen. Die Türen glitten auf, und der Arzt stieg als Erster aus und schritt nach einem forschen »Hier entlang« den Korridor hinunter. Zimmer 68 lag am Ende und nahm die Gebäudeecke ein. Es hatte die Ausstattung eines Dreisternehotels, wie sie bei Privatkliniken so beliebt ist: pastellfarbene Wände, gemusterte Vorhänge, zwei Besucherstühle, Flachbildfernseher gegenüber dem Bett. Die Stühle waren besetzt, und der Fernseher lief, als Zorn hineingefahren wurde. Man hob ihn von der Rollbahre aufs Bett und ließ ihn in der blutigen Kleidung unbedeckt liegen.
    »So«, sagte Grantham, »der Moment der Wahrheit ist gekommen.« Er schaltete den Fernseher ab und stand auf.
    Er trat zu Carver und flüsterte: »Sechs Tote in den Gängen unter dem Centre Court und ein selbstgebauter Krakatoa, die den Frieden der Torywähler in der grünen Vorstadt gestört haben. Das ist ein bisschen extrem, meinen Sie nicht? Selbst für Ihre Maßstäbe.«
    Dann, als die Sanitäter den Raum verlassen hatten, drehte er sich zum Bett hin um und legte das fröhliche Benehmen eines Gastgebers an den Tag, der seine Partygäste begrüßt. »GutenTag, Doktor. Mein Name ist Grantham. Ich arbeite für den SIS.«
    »Guten Tag, Mr Grantham«, erwiderte der Arzt. »Mein Name ist Assim. Hm … Ihr Gesicht kommt mir bekannt vor. Es war nach Ihrer Ernennung ein paar Mal in der Presse, glaube ich.«
    Grantham verzog das Gesicht. »Ja, wir sind nicht mehr so geheim wie früher einmal … leider.«
    Assim blickte fragend zu dem Mann, der von dem anderen Stuhl aufgestanden war und nervös an seinem Schnurrbart zupfend am Fußende des Bettes wartete. »Und Sie sind …«
    »Cameron Young. Ich arbeite für den Premierminister. Könnten wir bitte zur Sache kommen? Ich muss schnellstmöglich in der Downing Street Bericht erstatten.«
    »Das ist Carver«, sagte Grantham und setzte die Vorstellung fort, ohne auf Young einzugehen.
    »Welche Position haben Sie?«, fragte Assim und schüttelte Carver die Hand.
    »Ich bin freischaffend tätig«, antwortete Carver.
    »Verstehe«, sagte Assim. »Sie haben es also arrangiert, dass Mr Zorn heute Nachmittag bei uns ist.«
    »So ist es«, sagte Carver. »Aber das ist nicht Malachi Zorn.«

77
    Dr. Assim schaute verwirrt. Über Granthams Gesicht breitete sich langsam ein Grinsen aus. Und Youngs Anspannung verwandelte sich in entsetzte Verblüffung.
    »Was soll das heißen? Natürlich ist das Malachi Zorn. Sehen Sie ihn sich doch an!«, rief Young.
    »Na gut«, sagte Carver. »Wenn Sie es wünschen.«
    Er trat ans Bett. »Zorn ist eins achtundsiebzig groß und wiegt ungefähr siebenundachtzig Kilo. Danach sieht er aus, würden Sie sagen? Er hat dunkelblonde Haare – stimmt. Er hat hellbraune Augen.« Carver zog ein Lid hoch. »Stimmt. Seine Gesichtszüge sind diesen hier bemerkenswert ähnlich, aber –«
    »Ja, weil er Malachi Zorn ist!«, unterbrach Young energisch.
    »Aber«, fuhr Carver ungerührt fort, »Zorn war sein Leben lang Junggeselle. Er war weder verlobt noch verheiratet. Das heißt, er hat nie einen Ehering

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