Samurai 1: Der Weg des Kämpfers (German Edition)
zuckte nicht mit der Wimper, sondern genoss den Augenblick sichtlich. Der große Masamoto hatte die Fassung verloren.
»Das ist gegen unsere Abmachung«, sagte Masamoto mühsam beherrscht. »Wo ist der andere Samurai?«
»Habe ich vergessen, das zu sagen? Bedaure. Er wurde leider von seinem Vater nach Hause gerufen und wir mussten ihn durch einen meiner anderen Schüler ersetzen.« Auf den letzten Worten verweilte Kamakura absichtlich etwas länger.
»Das soll Ihr Schüler sein? Das ist unannehmbar.«
»Den Regeln des Taryu-Jiai zufolge findet der Wettkampf eindeutig zwischen zwei Schulen statt, nicht zwischen einzelnen Schülern. Ich kann die Vertreter meiner Schule vor dem Wettbewerb nach Belieben ändern. Das ist doch richtig, Takeda-san?« Kamakura sah den Mann in dem weißen Kimono an.
»Hai, Kamakura-sama, das ist richtig«, antwortete der und mied Masamotos bösen Blick.
»Wenn Sie den Wettkampf absagen wollen …«
»Nein! Wir machen weiter.« Schäumend vor Wut setzte Masamoto sich.
Der kahlköpfige Mann in dem weißen Kimono gebot mit erhobener Hand Schweigen.
Die Schüler verstummten.
»Ich heiße Takeda Masato«, sagte er, »und bin der vom kaiserlichen Hof bestellte unabhängige Schiedsrichter dieses Taryu-Jiai. Die Kämpfe finden unter meiner Aufsicht statt. Meine Entscheidung ist endgültig und unumstößlich. Wir beginnen jetzt mit der ersten Runde, dem Bogenschießen. Samurai, macht euch bereit!«
Die Menge applaudierte und die Zielscheiben für das Bogenschießen wurden am Ende des Gartens aufgestellt.
»Was hat Yamato bei denen zu suchen?«, fragte Jack seine Kameraden. »Wie kann er gegen uns kämpfen?«
»Du hast doch auch gehört, was Masamoto gesagt hat«, erwiderte Akiko. »Er hat Yamato damals verstoßen und Yamato lief weg, weil er das Gesicht verloren hatte und mit der Demütigung nicht fertig wurde.«
»Aber warum ist er in die andere Schule eingetreten?«
»Das ist nicht schwer zu erraten, Jack. Sein Vater soll auch das Gesicht verlieren.«
»Genug geredet!«, fiel ihnen Sensei Yosa ins Wort, die zu ihnen getreten war. »Richtet eure Aufmerksamkeit auf den bevorstehenden Wettkampf und lasst euch nicht ablenken. Denkt daran, was ich euch beigebracht habe – zum Bogenschießen braucht ihr absolute Konzentration. Das Gleichgewicht ist euer Fundament. Geist, Bogen und Körper bilden eine Einheit.«
Sensei Yosa hatte ihnen diese drei Prinzipien in den vergangenen Monaten täglich eingetrichtert. Sie hatten buchstäblich den ganzen ersten Monat nur damit zugebracht, richtig zu stehen und den Bogen zu halten. Erst dann hatte Sensei Yosa ihnen gezeigt, wie man einen Pfeil schoss. Akiko hatte es als Erste gelernt, Saburo und Jack trafen noch nicht zuverlässig ins Ziel.
In den letzten Wochen hatte Sensei Yosa sie schießen lassen, bis sie blutige Blasen an den Fingern bekamen. Einmal war sie neben Akiko getreten und hatte sie mit den Federn eines Pfeils am Ohr gekitzelt. Akiko war so erschrocken, dass sie weit danebengeschossen hatte und fast einen in der alten Kiefer nistenden Vogel getroffen hätte. »Du darfst dich nicht so leicht ablenken lassen«, hatte Sensei Yosa nur gesagt. »Absolute Konzentration, weißt du noch?« In der nächsten Stunde hatte sie Saburo etwas ins Ohr gebrüllt, worauf sein Pfeil irgendwo am Himmel verschwunden war. »Konzentration!«, hatte Yosa wieder gesagt.
»Wir fangen an«, rief der Schiedsrichter. »Erste Runde, Entfernung dreißig Meter.«
»Dreißig Meter!«, rief Saburo und nahm seinen Bogen und die Pfeile auf. »Ich treffe schon kaum bei fünfzehn.«
»Die Schule, die mit sechs Schüssen die meisten Punkte erreicht, gewinnt die Runde«, fuhr der Schiedsrichter fort. »Ein Punkt für das Treffen der Scheibe, zwei für die Mitte. Yagyu beginnt.«
Die Schülerin mit den schwarzen Zähnen trat an die Abschusslinie und Schweigen senkte sich über die Menge. Sie legte den ersten Pfeil auf, hob ruhig den Bogen und schoss.
Der Pfeil traf in die Mitte der Scheibe und die Schüler von Yagyu brachen in Beifall aus. Ohne Pause schoss die Schülerin ihren zweiten Pfeil. Er traf den inneren weißen Ring und verfehlte die Mitte um einen Fingerbreit. Enttäuscht verzog sie das Gesicht.
»Drei Punkte für Yagyu.«
Saburo trat an die Abschusslinie. Jack sah sogar von seinem Platz aus, wie Saburos Hände zitterten. Er brachte es kaum fertig, den Pfeil aufzulegen.
Sein erster Schuss ging so weit daneben, dass er fast einen Jungen getroffen hätte. Die
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