Samurai 2: Der Weg des Schwertes (German Edition)
hin und her schwankte.
»Du musst kräftiger reiben!«, schimpfte Sensei Kyuzo, der in der kleinen Nische der Halle zu Abend aß.
Der köstliche Duft von gegrillter Makrele stieg Jack in die Nase und sein Magen knurrte vor Hunger.
»Ich komme morgen Früh wieder«, sagte der Sensei nach einer Weile. Er hatte seine Mahlzeit beendet. »Dann erwarte ich, dass der ganze Boden glänzt. Sonst versäumst du das Frühstück auch noch.«
»Hai, Sensei«, murmelte Jack und verbeugte sich tief.
So wenig er den Samurai auch mochte, musste er ihm doch den gebührenden Respekt erweisen.
Als Sensei Kyuzo gegangen war, nahm er die Strafarbeit wieder auf. Er wollte am nächsten Morgen nicht noch einmal kommen müssen und hatte sich vorgenommen, notfalls zu arbeiten, bis seine Finger wund waren und seine Knie vollkommen gefühllos.
Obwohl die Strafe ungerecht war, fand er in der Arbeit einen gewissen Trost. Sie erinnerte ihn an die Zeiten, in denen er die Decks der Alexandria geschrubbt hatte. Die ganze Mannschaft hatte in der sengenden Hitze des Pazifiks schuften müssen. Allerdings war das keine Strafarbeit, sondern zur Instandhaltung des Schiffes notwendig gewesen. Beim Schrubben hatte man zusammen gesungen und sich lustige Geschichten erzählt, Freundschaften geschlossen und Sorgen vergessen.
Jack dachte an Ginsel, seinen Freund mit den Haifischzähnen, der jetzt tot auf dem Grund des Meeres lag. Er vermisste ihn. Er vermisste die ganze Mannschaft, sogar den Bootsmann, der mit seiner neunschwänzigen Katze für Disziplin gesorgt hatte.
Am meisten aber fehlte ihm der Vater. Der Tod seines Vaters hatte eine klaffende Lücke in seinem Leben hinterlassen. Jack hatte sich stets mit allen Fragen an ihn gewandt und sein Vater hatte ihn angeleitet, beschützt und an ihn geglaubt.
Jack wischte sich eine Träne aus dem Auge und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
Der Mond hatte seine Bahn über den Himmel schon fast vollendet, als Jack endlich fertig war. Erschöpft und schwindlig vor Hunger verließ er die Übungshalle. Der Himmel über ihm war tintenschwarz, aber am Horizont zeigte sich bereits der erste Schimmer der Morgendämmerung.
Wenigstens gibt es bald Frühstück, dachte Jack. Nicht dass er sich besonders darauf freute. Misosuppe, kalter Fisch und Reis waren so früh am Morgen eine harte Kost und er sehnte sich nach einem ganz normalen englischen Frühstück mit Butterbrot, Spiegelei und Schinken.
Aus den Augenwinkeln bemerkte er eine Bewegung auf der anderen Hofseite. Zunächst glaubte er, die Einbildung spiele ihm einen Streich. Wer sollte um diese Zeit auf sein?
Er kniff die Augen zusammen.
Ein Schatten huschte an der Halle der Löwen entlang.
Wer immer das war, er wollte nicht gesehen werden. Der Eindringling war ganz in Schwarz gekleidet und ging dicht an der Mauer entlang. Lautlos huschte er auf den Eingang der Halle der Löwen zu, in der die Schüler schliefen.
Jack war auf einmal hellwach. Der Eindringling sah aus wie ein Ninja.
Jack trat in den Eingang der Übungshalle zurück, ohne die Gestalt aus den Augen zu lassen.
Also war Drachenauge doch zurückgekehrt.
Ein anderes Mal, Gaijin! Der Portolan ist nicht vergessen. Die Worte des Ninja gingen Jack durch den Kopf. Er verfluchte sich dafür, dass er noch nicht mit Emi gesprochen und einen zweiten Besuch in der Burg Nijo vereinbart hatte, um dort das Logbuch zu verstecken. Doch er hatte sich törichterweise eingebildet, Drachenauge sei an seinen Verletzungen gestorben, wie Yamato gemeint hatte. Schließlich hatte er seit Monaten nichts mehr von ihm gehört oder gesehen.
Also war Drachenauge doch nicht tot.
Akiko hatte vermutet, der Ninja habe inzwischen einen anderen Auftrag erhalten. Doch offenbar war dieser Auftrag abgeschlossen und er war zu seiner ursprünglichen Aufgabe zurückgekehrt.
Die schwarze Gestalt hatte den Eingang erreicht und drehte sich zur Seite, um die Halle zu betreten. Dabei fiel das Mondlicht auf ihr Gesicht.
Jack erstarrte.
Er hatte das Antlitz nur einen kurzen Augenblick gesehen, doch er hätte schwören können, dass es Akiko gehörte.
15
Sensei Kano
Jack rannte über den Hof.
Am Eingang der Halle der Löwen angekommen, schob er die Tür auf und spähte hinein. Die Laternen waren heruntergebrannt und er konnte nicht viel erkennen, doch der Flur schien leer.
Leise ging er den Gang mit den Zimmern der Mädchen entlang. An Akikos Zimmer angekommen, stellte er fest, dass die Tür nur angelehnt war. Er spähte durch den
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