Samurai 3: Der Weg des Drachen
um mich. Ich habe mein Leben gelebt und fürchte den Tod nicht. Du dagegen hast dein Leben noch vor dir.«
»Abe r …«
»Ich habe dich alles gelehrt, was du dafür brauchst, Jack-kun.« Masamoto lächelte mit väterlichem Stolz. »Das ist mehr, als ein Lehrer oder Vater hoffen darf. Du bist jetzt volljährig, mein Sohn.«
Er verbeugte sich vor Jack und verschwand in der Nacht.
»Da ist er!«, schrie jemand im Garten.
Man hörte trampelnde Schritte näher kommen.
»Lang lebe die Niten Ichi Ryu!«
Jack brachte es nicht fertig, den Brunnenrand loszulassen. Er musste wissen, was aus seinem Vormund wurde.
Er hörte Schwerter aneinanderschlagen. Jemand fiel zu Boden.
Doch der Kampf ging weiter.
In das Singen der stählernen Klingen mischten sich die Schreie sterbender Samurai.
»Halt!«, befahl eine Stimme barsch. »Er wird alle eure Männer töten, ohne selbst einen Kratzer abzubekommen.«
Jack kannte die Stimme. Sie gehörte Daimyo Kamakura.
»Überlasst Masamoto-sama mir!«, befahl der Daimyo. »Sucht weiter nach den christlichen Verrätern und tötet sie!«
59
Der Brunnen
So schnell er konnte, kletterte Jack die Wand des Brunnenschachts hinunter. Sie war schlüpfrig und bot nur wenig Halt. Akiko war schon beinahe unten angelangt.
Über sich hörte er das Geschrei der Roten Teufel und er steigerte sein Tempo. Es wurde immer dunkler. Als er mit dem Fuß versehentlich ins Leere trat, rutschte er mit den Fingern an dem glitschigen Stein ab. Er fiel in die Tiefe und riss Akiko mit.
Aufplatschend landeten sie im Wasser. Jack sank bis auf den Grund hinunter. In Panik wollte er nach oben schwimmen, doch seine Rüstung hing wie ein bleiernes Gewicht an ihm. Immer wieder stieß er sich vom Boden ab, doch vergeblich. Ihm war, als hinge ein Anker um seine Hüften.
Da spürte er Akikos Hände an seiner Rüstung. Geschickt schnürte sie die Riemen auf und im nächsten Moment hatte sie ihn von dem schweren Brustpanzer befreit. Den Rest konnte er selbst abstreifen. Rasch stieg er zur Oberfläche auf und schnappte nach Luft.
Nachdem er wieder zu Atem gekommen war, sah er sich um. Auf allen Seiten waren sie von den festen Mauern des Brunnenschachts umgeben. »Wo ist der Tunnel?«, fragte er aufgeregt.
»Unter Wasser.« Akiko hatte inzwischen auch ihre Rüstung ausgezogen. »Ich wäre auf der Suche nach dir eben fast schon hineingeschwommen. Wahrscheinlich haben die Ninjas ihn nicht benützt, weil er unter Wasser liegt.«
»Und was machen wir?«
»Wir schwimmen durch.«
»Du spinnst!« Jack sah Akiko erschrocken an. »Das schaffen wir nie.«
»So weit kann es nicht sein«, erwiderte Akiko. »Das Brunnenhaus liegt nahe der inneren Mauer. Ich bin mit den Perlentauchern schon viel weiter getaucht.«
»Aber ich bin kein Perlentaucher, Akiko.« Jack begann im kalten Wasser zu zittern. »Matrosen fürchten das Ertrinken wie die Pest.«
»Aber wir haben keine andere Wahl.«
Jack schwieg. Plötzlich merkte er, dass etwas fehlte.
»Mein Buch!«, rief er. »Meine Tasche! Ich habe sie zusammen mit der Rüstung abgelegt.«
»Keine Sorge, ich hole sie. Sie ist bestimmt leichter zu finden als eine Perle.«
Akiko holte tief Luft und tauchte.
Jack blieb allein im Dunkeln zurück. Nur das Glucksen des Wassers an der Wand und das Geschrei der Samurai über ihm waren zu hören. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, dann tauchte Akiko wieder auf. Sie hielt die Tasche mit dem Portolan in der Hand.
»Gefunden!«, sagte sie grinsend. »Aber bestimmt hat das Wasser das Buch beschädigt.«
»Nein, es wird durch das Öltuch geschützt, in das es eingewickelt ist.« Jack nahm ihr die Tasche ab.
Da schlug ein großer Stein klatschend zwischen ihnen auf dem Wasser auf.
»Dort unten sind sie!«
Ein zweiter Stein prallte von der Wand ab und hätte Jack fast am Kopf getroffen.
Jack brauchte keine weitere Aufforderung. »Nehmen wir also den Tunnel«, sagte er und machte sich auf den Tauchgang gefasst.
»Atme möglichst oft tief ein und bleibe ganz ruhig«, wies Akiko ihn an.
Weitere Steine landeten im Wasser. Sie tauchten. Akiko schwamm voraus. Der Tunnel war stockfinster und Jack musste sich blind vorantasten. Es war wie in einem Albtraum. Er wusste nicht mehr, wo oben und unten war, und auch nicht, wie weit er schwimmen musste.
Er strampelte heftig mit den Beinen und bemühte sich, mit Akiko mitzuhalten. Doch plötzlich spürte er ihre Gegenwart nicht mehr. Panik stieg in ihm auf. Die Angst legte sich mit klammen Fingern um seinen
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