Samurai 6: Der Ring des Feuers (German Edition)
Enttäuschung gab es allerdings keine Nachricht vom Schicksal seines Vormunds Masamoto, der in ein abgelegenes Kloster auf dem Berg Iawo verbannt worden war. Doch als Saburo Yori von seiner ereignislosen Kriegerwallfahrt erzählte, heiterte sich die Stimmung auf.
»Warum sollte ich mich unnötig in Gefahr begeben?« Verschmitzt hob Saburo die Augenbrauen. »Aber wie kommst du eigentlich nach Okayama?«
»Sensei Yamada hat mich auch auf eine Wallfahrt geschickt«, erklärte Yori. »Allerdings eine religiöse.«
»Ist Sensei Yamada auch hier?« Jack hätte den Meister der Zen-Philosophie, der ihm von allen Lehrern der Niten Ichi Ry ū am nächsten gestanden hatte, gern wiedergesehen.
Yori schüttelte den Kopf und lächelte traurig. »Ich glaube, während der letzten Kämpfe in Osaka ist etwas in ihm gestorben. Er hat mich alles gelehrt, was er weiß, als rechne er damit, diese Welt bald zu verlassen.«
Jack und Saburo wechselten einen betroffenen Blick.
»Warum bist du dann jetzt nicht bei ihm?«, fragte Saburo.
»Das Leben sei der größte Lehrer, hat er gesagt. Deshalb hat er mich auch auf diese Pilgerreise geschickt. Außerdem sollte ich einem alten Freund im Tempel von Okayama eine Nachricht überbringen.«
Neko näherte sich ehrerbietig mit einer dampfenden Teekanne und schenkte Grüntee ein.
Saburo hob seine Tasse. »Auf die Niten Ichi Ry ū !«, rief er aufmunternd.
»Auf die Freundschaft!«, fügte Jack hinzu. Er konnte immer noch nicht fassen, dass er tatsächlich sowohl Saburo als auch Yori begegnet war. Eine tiefe Dankbarkeit erfüllte ihn.
Yori nickte. »Und auf die Freunde, die gestorben, aber nicht vergessen sind.« In seinen Augen glänzten Tränen.
Sie tranken auf das Andenken ihrer Freunde und ein Moment respektvoller Stille trat ein. Saburo gedachte mit feuchten Augen seines tapferen Bruders Taro und Jack trauerte um Yamato, der sein Leben geopfert hatte, um ihn und Akiko vor dem Ninja Drachenauge zu retten.
Neko erschrak beim Anblick ihrer ernsten Gesichter und glaubte schon, ihr Tee schmecke den Gästen nicht, doch Yori beruhigte sie mit einer Geste. Sie bedankte sich mit einer Verbeugung und eilte in ihre Ecke zurück, um das Mittagessen zuzubereiten.
Jack staunte wieder einmal über Yoris Einfühlungsvermögen. Er hatte sofort bemerkt, dass Neko nicht hören konnte. Yori war noch genau so, wie Jack ihn in Erinnerung hatte, klein von Statur, aber mit einem großen Herzen und einer menschlichen Wärme, die ihn zu einem idealen Mönch machten. Diese Tugenden hatten ihm bei der Ausbildung zum Samurai nicht immer geholfen. Doch trotz seines sanftmütigen Wesens steckte in ihm ein überraschend zäher Samurai von außergewöhnlichen Fähigkeiten.
»Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich dich und Saburo durch Zufall hier getroffen habe«, sagte Jack.
Yori lächelte ihn an. »Zufälle sind eben Gottes Art, die Geschicke der Menschen zu lenken. Vielleicht war der Lachende Buddha Hotei, einer der sieben Götter des Glücks, dir wohlgesinnt.«
»Dann muss ich mich bei ihm bedanken.« Jack lächelte ebenfalls. »Wann kehrst du nach Iga Ueno zurück?«
»Wenn mein guter Freund wohlbehalten nach Hause zurückgekehrt ist«, antwortete Yori mit einer Verbeugung.
Jack erwiderte die Verbeugung. »Du bist wie immer ein treuer Freund. Aber vor meiner Heimkehr muss ich noch diesen Bauern helfen.«
Yori nickte weise, als habe er mit diesem Einwand gerechnet. »Indem wir anderen helfen, helfen wir uns selbst.« Aus seinen Worten sprach der Geist eines buddhistischen Mönches.
»Aber du musst nicht bleiben«, beharrte Jack. »Den Bauern zu helfen, ist sehr gefährlich.«
Er hatte Yori nicht direkt zum Mitmachen auffordern wollen, weil er wusste, dass sein Freund Gewalt nach Möglichkeit mied. Andererseits waren Yoris Weisheit und kluger Rat im bevorstehenden Kampf mit Akuma bestimmt nützlich.
»Wo Freunde sind, da ist auch Hoffnung«, meinte Yori. »Das hast du mir einmal gesagt.«
»Weise Worte, Yori«, bemerkte Saburo. »Aber wo finden wir Samuraischüler, die uns helfen könnten?«
»Du hast zu wenig Glauben, Saburo!«, schalt Yori mit einem listigen Blick, der an Sensei Yamada erinnerte. »Der Priester des Tempels von Okayama hat mir von einem Wettbewerb im Bogenschießen unten am Fluss erzählt. Dort finden wir bestimmt unsere Samurai.«
12
Der gespaltene Pfeil
Am Ostufer des Asahi hatte sich eine große Menschenmenge versammelt. Dort befand sich das blühende Kaufmannsviertel von
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