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San Miguel: Roman (German Edition)

San Miguel: Roman (German Edition)

Titel: San Miguel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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vorwurfsvolles Gesicht. Die Stimmung war nicht mehr heiter, nicht einmal dem Anschein nach. Elise versuchte, Konversation zu machen: »Wissen Sie, es ist wirklich wunderbar, hier draußen zu leben, so weitab von allem. Sie würden staunen.« Margot bedachte sie nur mit einem Blick. »Man muss sich natürlich erst einmal daran gewöhnen. Ich weiß nicht, ob ich es Ihnen schon erzählt habe, aber ich bin in New York aufgewachsen, in Rye, in einem Haus voller Personal. Ich hatte noch nie im Leben einen einzigen Teller abgespült.« Sie lachte. »Ich wusste kaum, wie man kocht.« Auch darauf kam keine Antwort. Margot kramte ein silbernes Feuerzeug aus ihrer Handtasche, zündete sich eine Zigarette an und stieß den Rauch mit einem langen, vernichtenden Seufzer aus.
    Beim Abendessen ließ sie sich dazu herab, ein wenig Lammfleisch mit Kartoffeln und Wachsbohnen aus der Dose zu essen, und trank dazu eine Tasse Tee, doch anschließend entschuldigte sie sich sogleich und zog sich zurück, ohne Elise, wie am Abend zuvor, anzubieten, beim Abräumen zu helfen. Oder auf Marianne aufzupassen, während Elise das Geschirr spülte. Sie sah sie kaum an, sondern ging gleich auf ihr Zimmer und schloss die Tür.
    Es war ärgerlich. Aber warum sollte sie sich aufregen? Warum sollte sie in ihrer Küche stehen und mit dieser Frau plaudern, sich erklären oder, schlimmer noch, sich entschuldigen? Oder sich in ihrem eigenen Haus unterlegen fühlen, während das Entscheidende doch war, dass Herbie irgendwo jenseits des Wassers, bei einem Arzt, in einem Krankenhaus war, dass er Schmerzen hatte und sie brauchte und dass sie hier mit einer Fremden festsaß, deren Lächeln immer gezwungener wurde, bis es wie eine Schraube war, die jemand in ein glattes, astreines Brett gedreht hatte.
    Der Morgen brach mit einem unvermittelten Regenguss über sie herein, der auf das Dach prasselte und den Hof mit Pfützen sprenkelte. Sie musste sich zwingen aufzustehen: Auch heute würde kein Boot kommen, kein Herbie, ja nicht einmal eine Nachricht von ihm. Sie sagte sich immer wieder, dass alles gut werden würde, es war bloß ein blinder Alarm, doch dann sah sie ihn vor sich, festgeschnallt auf einem Operationstisch, die Augen tief in den Höhlen, und die Ärzte waren da mit ihren Instrumenten, die wie Folterwerkzeuge aussahen, und das alles vermischte sich mit Bildern der Lämmer, die sie zum eigenen Verbrauch geschlachtet hatten, der schweren, bläulichen, beutelartigen Eingeweide, des Blutes, das in den Eimer lief, bis es wie Öl war, dunkel und dickflüssig und ohne Glanz. Als Marianne sich am Gitter ihres Kinderbetts hochzog und »Daddy, Daddy« sagte, wäre Elise beinahe in Tränen ausgebrochen. Und als Margot, die mit einer Tasse Kaffee und einer Zigarette vor dem Kamin saß, sagte: »Ist mir ganz egal, wie das Wetter ist – Dick wird kommen, das weiß ich, er würde mich nie im Stich lassen«, wusste sie nicht, was sie antworten sollte.
    Kurz nach Mittag, als sie im Sessel saß und Marianne aus einem Buch mit Kinderreimen vorlas, lief die Bon Temps , auf der Dünung schaukelnd, in die Bucht ein. Der Regen hatte nachgelassen, aber der Wind war stärker geworden, und selbst mit dem Fernglas war es schwer, etwas zu erkennen. Margot war es, die das Boot entdeckte. Unbeeindruckt von der Kälte und dem Regenwasser, das von der Traufe rann, hatte sie, eingehüllt in eine alte Jacke von Herbie, die Elise ihr geliehen hatte, ein Tuch um die Haare gebunden und das Fernglas an die Augen gepresst, den größten Teil des Vormittags auf der Veranda verbracht, als wollte sie das Boot mit schierer Willenskraft herbeizwingen. »Sie sind da«, sagte sie, als sie durch die Tür trat. Sie sagte es nüchtern, so dass es klang wie eine Feststellung – als könnte jede Erregung den Anschein erwecken, sie habe an ihrer Rückkehr gezweifelt.
    Margot wartete nicht, bis Elise der Kleinen eine Jacke angezogen und den Schirm gefunden hatte, sondern ging voraus, den Schal fest um den Hals geschlungen und die Tasche mit den wenigen Dingen, die sie vom Boot mitgenommen hatte, unter den Arm geklemmt. Elise folgte ihr durch den Matsch bis hinunter zum Strand, wo das Dingi bereits auf halbem Weg war und sich durch den Regenvorhang vorwärtsbewegte. An den Rudern saß ein Mann – schmale Schultern, blaue Mütze: Dick –, und hinter ihm, am Heck, war eine Gestalt, die sie nicht eindeutig erkennen konnte, obwohl es bestimmt Herbie war, Herbie, der zu ihr zurückkehrte, ausgestattet mit

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