Sanctum
Mätresse? Sie ist an mir vorbei nach draußen gerannt. Ich konnte gerade noch einen der Kerle davon abhalten, ihr eine Kugel zu verpassen. Aber irgendetwas stimmt nicht mit ihr …«
»Sie steht unter Schock, Justine!«, schnitt er ihr das Wort ab. »Wir müssen sie finden, bevor ihr etwas passiert. Sind die Männer alle erledigt?«
»Mais bien sûr«, sagte sie verächtlich und lehnte den Lauf ihrer DesertEagle lässig gegen die Schulter. »Ich habe mir nur ein wenig Zeit gelassen, um sie zu beschäftigen. Aber Eric, weißt du, sie …«
Ein Schuss.
Ein einzelner Pistolenschuss.
Eric sah, wie die Kugel auf ihn zuraste … nein.
Auf Justine!
Etwa in Höhe des Herzens zuckten ihre Kleider.
Sofort fetzte das Projektil auf der anderen Seite heraus, riss Gewebe und Blut mit sich.
Justine schrie auf, fuhr herum, die Mündung ihrer Halbautomatik zuckte in die Richtung des für Eric unsichtbaren Schützen –
– als es wieder krachte.
Eric warf sich mit Justine zur Seite. Das Projektil schlug gegen einen Eisenpfeiler, prallte ab und fiel vor Erics Füße. Die vollkommen verformte Kugel bestand aus – Silber!
Justines Körper schien alle Kraft zu verlieren. Mühsam fand ihre Hand den Weg zu der Wunde in ihrer Brust, aus der Blut strömte. »Merde! Pas encore«, ächzte sie, hustete und rang wie eine Ertrinkende nach Luft. Die Lunge fiel mehr und mehr in sich zusammen.
Erneut wurden sie beschossen, dieses Mal flog die Kugel haarscharf an Erics Kopf vorbei. Wenn er nicht enden wollte wie seine Halbschwester, musste er den Schützen unbedingt töten! Er feuerte in die Richtung, in die seine Halbschwester gezielt hatte, gab Schuss um Schuss in schneller Folge ab. Das G3 besaß eine Durchschlagskraft, die ausreichte, um Kugeln durch die Trockenmauer aus Gipskarton und Stuck zu senden. Der entsetzte Todesschrei aus dem Nachbarzimmer zeigte Eric, dass er getroffen hatte.
»Los, wir müssen hier raus!« Er sah auf Justine hinunter, die nach hinten gesackt war, die linke Hand fest um etwas geschlossen, was sich unter ihrem Hemd verbarg. »Viens et tiens ta promesse«, stöhnte sie. Weißer Rauch zischte aus der verheerenden Wunde. Ihr blutiger rechter Zeigefinger zuckte ziellos über den Boden, malte ein wirres Muster, das Eric für einen Moment an die wilden Striche erinnerte, die er im Moment größter Verzweiflung auf Leinwände feuerte.
»Nein!«
Sein Schrei ging unter in einer Kette aus Detonationen aus dem oberen Stock, die weitaus kräftiger als die Explosionen der Handgranaten waren. Das Haus erbebte, Putz fiel von den Wänden, Teile der Decke stürzten ein, Staub rieselte herab.
Qualm und Staub vernebelten das Zimmer, und als Eric zur Tür hinausschaute, hatten ihm Trümmer und Feuer den Weg abgeschnitten. Es gab für ihn einzig den Weg aus dem Fenster.
Er sah zu Justine, deren Lippen sich lautlos bewegten. Blut rann aus ihrem Mundwinkel, doch ihre Augen schauten fast verklärt zur Decke wie in eine fremde Welt. Seine Halbschwester gehörte unwiderruflich dem Tod.
Unter seinen Füßen donnerte es, Platten zersprangen, als weitere Bomben im Keller zündeten. Pfeifend fegte die Druckwelle heran und schob Feuer und Rauch vor sich her. Der Boden knirschte und riss.
Eric sprintete los, zerschoss im Rennen das Fenster und hechtete durch die Überreste ins Freie, ehe ihn die Flammen erreichen konnten oder ihn der einbrechende Boden nach unten zog.
Als er im Garten wieder auf die Beine kam, stürzte das Haus ein und begrub den Körper seiner Halbschwester unter sich.
Einen Moment lang stand Eric einfach nur schwer atmend da und starrte in die Flammen. Ein paar Zentimeter höher und die Kugel hätte ihn getroffen.
Das Heulen von Sirenen, das Eric aus der Ferne unaufhaltsam näher kommen hörte, riss ihn aus seiner Betäubung. Er musste handeln!
»Severina?«, schrie er und schaute sich um. Im Garten befand sie sich nicht. Er nahm an, dass sie in ihrem Schock auf die Straße gelaufen war. Eric spürte die Hitze, die ihm entgegenschlug. Es war nur noch eine Frage von Augenblicken, bis die Flammen die Gasleitungen erwischten und ein noch gewaltigeres Inferno entfachten. Er rannte durch die Ausfahrt hinunter zur Garage, sprang in den Cayenne und raste los.
XVI.
KAPITEL
7. Januar 1768, Italien, Rom
Jean wagte nicht, sich zu bewegen. So sah das Panterwesen in seiner Menschengestalt aus, so harmlos – bis auf die gespannte Pistole in seiner Hand, deren Mündung auf Gregorias Kopf zielte.
»Ich habe nach
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