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Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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etwas Gutes.«
    Jean erinnerte sich an die bisherigen Opfer des Panters: allesamt Verbrecher. »Dann seid Ihr ein König, dem man gehörig auf der Nase herumtanzt.« Rasch fasste er zusammen, was sie wussten und was er Roscolio preisgeben wollte. Eine Prise über den Orden, etwas über die Machenschaften des Kardinals – ohne zu sehr in Einzelheiten abzugleiten – und über die Taten des Comtes im Gevaudan. »Jetzt hat er sich hierher geflüchtet, um meiner Rache zu entkommen«, schloss er.
    Roscolio nickte, er hatte aufmerksam zugehört und zwischendurch von seinem Tee getrunken. »Das ist alles sehr beeindruckend. Auch dass Ihr Frauen um Euch geschart habt, die Euch bei der Jagd unterstützen … das erfordert Anerkennung. Äbtissin Gregoria war so freundlich, mir bereits vor Eurer Ankunft etwas über die Schwesternschaft zu berichten.« Er stellte die Tasse ab. »Ich werde meine Pistole senken, wenn Ihr mir versprecht, keinerlei Taten gegen mich folgen zu lassen. Weder Ihr, Monsieur, noch Eure Kämpferin. Ich rede ungern unter solchen Umständen. Gebt Ihr mir Euer Wort?«
    Jean legte die Hand auf Sarais Schulter, weil er fürchtete, dass sie losstürzen und sich ohne Rücksicht auf die Überlegenheit des Feindes auf einen Kampf einlassen würde. Die Seraph bebte. »Nein, Sarai«, befahl er ihr. »Wir reden.« Er ließ sich um Gregorias willen auf den Handel ein. »Doch was nach unserem Gespräch geschieht«, er wandte sich an den Mann, »liegt nicht in meiner Macht.«
    »Das sehe ich ebenso.« Roscolio packte den Spannhebel und ließ ihn langsam nach unten ab, ohne dass sich ein Schuss löste. Er wartete, bis sich Jean und Sarai erhoben und auf das Bett gesetzt hatten, um es ein wenig bequemer zu haben. »Dann vernehmt nun meine Geschichte. Der Comte de Morangiès und ich lernten uns während des Siebenjährigen Krieges auf Menorca kennen. Er war Colonel des languedocischen Infanterieregiments und verantwortlich für die Garnison, ich befand mich aus anderen Gründen dort. Ich bemerkte sehr bald, dass er ein Tier war wie ich und er sich nicht einmal anstrengte, seine schrecklichen Neigungen zu unterdrücken. Sie brachten ihn mehrmals bei seinem Vorgesetzten in Schwierigkeiten, auch wenn ihn sein Titel und Rang vor vielen Scherereien schützte. Damals bewunderte ich ihn für seinen Tatendrang, für seine draufgängerische Art. Er zog die Zuhörer mit seinen Erzählungen über die Schlacht bei Rossbach gegen die Preußen in seinen Bann. Ich ließ mich dazu verleiten, ihn von meinen Abenteuern in Indien zu erzählen und von der Jagd auf einen menschenfressenden Panter. Durch irgendetwas hatte ich mich anscheinend ihm gegenüber verraten, und er kam sehr rasch darauf, was sich hinter meiner Fassade verbarg. Ich vertraute ihm schließlich an, wie ich in Rom als Panterkreatur lebte, wie einfach das Leben dort war, wie ich ein Netz von Freunden aufgebaut hatte. Es endete damit, dass er eines Nachts versuchte, mich umzubringen. Zusammen mit einem anderen, noch sehr jungen Franzosen quälten sie mich tagelang. Sie hetzten mir ihre selbstgezüchteten Hunde auf den Hals und taten mir unaussprechliche Dinge an. Mir gelang die Flucht, wobei ich sie im Glauben ließ, dass sie mich getötet hatten.«
    Ein junger Franzose … die selbstgezüchteten Hunde … Jean zitterte. Also doch. Es konnte sich nur um Antoine gehandelt haben. »Es dauerte Jahre, bis ich mich von der Folter erholte. Der Comte war aus der Armee entlassen worden, hatte sich kurz in Rom herumgetrieben und alles zerstört, was ich mir aufgebaut hatte, ehe er ins Gevaudan zurückkehrte.« Roscolio schwieg, um sich zu sammeln und über die grausigen Erinnerungen hinwegzukommen. »Ich begann damit, die Leute zu bestrafen, die ihn dabei unterstützt hatten. Doch dann, – vor einigen Wochen, kehrte er zurück und das Spiel begann von vorn. Aber dieses Mal bin ich in meinem Königreich auf der Hut und jage ihn. Und nun«, seine grünen Augen richteten sich auf Jean, »seid Ihr erschienen, Monsieur, mit Euren Damen und Musketen.«
    »Der junge Franzose, der Euch auf Menorca folterte, war Antoine«, sagte Jean schwer. »Mein Sohn, den ich töten musste, weil er zur Bestie wurde.«
    »Umso mehr steigt meine Achtung vor Euch.« Roscolio neigte sein Haupt. »Wir haben den gleichen Widersacher, Monsieur Chastel. Was haltet Ihr von einem Bündnis auf Zeit?«
    »Und danach?«, fragte Jean sofort.
    »Geht jeder seiner Wege.« Roscolio steckte die Pistole in ihr Futteral.

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