Sanctum
der Leinwand.«
Nur mit dem Sportslip bekleidet, tauchte er hinter seiner Deckung auf; die Lötlampe schaltete er nicht aus, sondern hielt sie wie eine stumme Drohung am Brennen. »Wie kommst du herein?«
»Die Tür stand offen.«
»Nein, stand sie nicht.«
»Mir schon«, gab Justine grinsend zurück und nahm einen Zug von der Zigarette. »Ich lasse mich nicht aufhalten, wenn ich es nicht will.«
»Doch. Aber es würde dir wehtun.« Er ging auf sie zu. »Was willst du?«
»Was ich will?« Sie lachte in ihrer aufreizenden Art. »Mon dieu, du hast die zweite Nonne umgebracht, Eric! Ist das so eine Gewohnheit von dir?«
»Habe ich nicht. Sie ist von anderen umgelegt worden.« Er ging auf sie zu und baute sich direkt vor ihr auf. »Ich werde Faustitia alles erklären, wenn ich Lena besuche. Vorher nicht. Und dir schon mal gar nicht.«
Justine sah bedauernd auf die Zigarette, die ihre Glut verloren hatte. Sie hielt sie kurzerhand an die Lötlampe und setzte sie erneut in Brand. »Eric, die Schwesternschaft will dich jetzt sehen. Sie sind sehr beunruhigt.«
»Weil ich die Seiten gewechselt haben könnte?«
Justine nickte, schaute an ihm vorbei auf das Bild, dann betrachtete sie den Rest des Arbeitsraums. Ihre Augen blieben an dem Foto des Rotonda-Siegels haften, sie sagte aber nichts.
»Habe ich aber nicht. Ich kämpfe, um genau zu sein, mit neuen Feinden.«
»Sag es nicht mir, sag es les sœurs.«
Eric hob den Arm mit der Lötlampe, die blaue Flamme zielte auf Justines Gesicht. »Das muss dir als Auskunft reichen. Geh und sag es der Obernonne.«
»Mon frère, du hast nicht verstanden.« Sie sog an der filterlosen Kippe und inhalierte die enorme Anzahl von Giften genüsslich, um an das bisschen Nikotin zu gelangen. Justine gehörte zu einer Minderheit, die sich das gefahrlos erlauben durfte. »Du sollst mich jetzt begleiten.«
»Wer sollte mich dazu zwingen?« Er grinste. »Du?«
Sie grinste gemein. »O ja. Du möchtest Lena doch wiedersehen, oder?« Sie deutete mit der Zigarette an die Decke. »Denn diese Dame in deinem Bett, sie ist doch sicherlich nur …«
Die Lötlampe zuckte nach vorn, das konzentrierte Feuer brannte eine lange schwarze Linie in den Hals der Französin. Rauch stieg auf, es stank nach verbrannter Haut.
Sie schrie auf und sprang rückwärts. »Merde!«, schrie sie und schnippte die Kippe nach Eric, der auswich. »Das tut weh, du Arschloch!« Sie hielt sich die Stelle, der Ärmel rutschte hoch. Über ihrer Pulsader schien eine Tätowierung zu beginnen, die sich nach oben zog.
Dieses Mal grinste er, breit und bösartig. »Aber, aber, liebe Schwester … das wird doch schneller heilen, als du Ich bin ein Miststück sagen kannst.«
»Vorher werde ich dir noch …«
Über ihnen hörten sie plötzlich ein Rumpeln; es kam aus der Eingangshalle.
Eric nahm sofort den Finger vom Zünder der Lötlampe und lauschte ebenso angestrengt wie Justine. »Hast du die Tür hinter dir wieder zugemacht?«, wisperte er.
»Natürlich, aber …« Sie sah ihn an, dann zur Decke. Ein seltsamer Ausdruck erschien in ihrem Gesicht. »Merde. Il y a quel-que chose qui cloche, ici. Ce n’est pas la première fois que je vois ca.«
Eric hörte ihr schon nicht mehr zu, sondern machte einen schnellen Sprung zur Seite und drückte einen verborgenen Knopf seitlich am Arbeitstisch. Leise sirrend öffnete sich eine Bodenklappe. Darunter kam eine Auswahl verschiedener Gewehre und Pistolen zum Vorschein, in schlichten Stahlboxen lagerte die Munition.
Eric griff nach dem G3 mit der einklappbaren Schulterstütze. Die Bundeswehr hantierte inzwischen zwar mit dem Nachfolger G36, aber er bevorzugte das ältere Modell. Das Kaliber – 7,62 Millimeter – und die hohe Durchschlagskraft machten es in seinen Augen besser; den passenden Schalldämpfer dazu hatte er sich eigens anfertigen lassen. Er warf sich eine kugelsichere Weste über, stopfte die Rückentasche mit drei zusätzlichen Magazinen voll und richtete sich auf. »Brauchst du eine Kevlarweste?«, fragte er reflexartig.
»Bin ich ein kleines Mädchen?« Justine hatte eine eigene Pistole, eine DesertEagle, gezogen und schaute neidisch auf die Waffensammlung, die Eric durch einen Knopfdruck wieder im Boden verschwinden ließ. »Alors, ca c’est chic. Va me plaît.« Sie lud durch. »Das möchte ich in meinem nächsten Haus auch haben.«
»Schade, dass dir das Geld für so etwas fehlt.« Eric ging an ihr vorbei, seine nackten Füße verursachten keinerlei Geräusch
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