Sanctum
unserem Zusammentreffen verstanden, dass Ihr und Eure Musketenweiber hartnäckig seid, aber ich unterstellte Euch ebenso, dass Ihr wisst, wo Eure Grenzen liegen«, sprach Roscolio mit einer tiefen, melodischen Stimme. »Meine Warnung auf dem Dach hätte Euch genügen müssen. Das … Missgeschick mit einem Eurer Mädchen tut mir Leid.«
»Ihr Name war Bathseba, und Ihr habt sie getötet.«
»Sie ließ mir keine andere Wahl, als sie zu entwaffnen.«
»Versucht nicht, Euer Verbrechen zu verschleiern! Ihr habt sie gebissen!« Jean überlegte fieberhaft, wie er den Mann am besten aus seiner selbstgefälligen Ruhe reißen konnte, um so seine Wut auf sich zu lenken und die Bedrohung von Gregoria abzuwenden. »Bathseba ist in meinen Armen verblutet, und nichts kann Euch von dieser Schuld reinwaschen – auch wenn es das bessere Schicksal war, als zur Bestie zu werden. Ihr sprecht wie ein Edelmann, dabei seid Ihr nichts anderes als der Abschaum der Hölle.«
Offenbar waren dies die richtigen Worte gewesen, Jean schien einen Nerv getroffen zu haben. Der Ausdruck in den gelblich-grünen Augen veränderte sich, Bedauern schimmerte auf. »Ich weiß«, sprach Roscolio langsam. »Es … es geschieht vieles, das ich nicht möchte. Dieses Tier in mir ist äußerst stark, und ich wäre froh, wenn es endlich aufhörte.« Er schluckte. »Da es das aber niemals wird, außer nach meinem Tod, muss ich Vorkehrungen treffen, um mein Leben bis dahin so sinnvoll wie möglich zu gestalten. Dazu gehört beispielsweise, dass ich die Bürger Roms vor Schurken schütze … und meine Feinde auslösche.« Er sah Jeans Sorge. »Nein, die Äbtissin zähle ich nicht dazu … aber vielleicht Euch, Monsieur Chastel. Und den Comte de Morangiès und seine Freunde ganz sicherlich.« Er stellte die Teetasse ab.
»Ihr sagtet, Ihr hättet Ruffo besucht. Habt Ihr ihn getötet?«, fragte Jean.
»Ihn und Bernini. Nicht, dass ich es gemusst hätte – die Laffen hätten sich fast selbst zu Tode gezittert. Sie haben sogar vergessen, die Silberkugeln gegen mich zum Einsatz zu bringen.«
»Ihr habt zwei Unschuldige …«
»Unschuldige?« Roscolio lachte. »Monsieur, Ihr beliebt zu scherzen. Bernini und Ruffo waren Freunde des Comtes. Was glaubt Ihr, wie ehrenhaft zwei solche Männer sein können?«
Jean spuckte aus. »Ihr seit nichts weiter als eine Bestie, die es liebt, seine Beute zu reißen.«
»Und Ihr, Monsieur?« Roscolio hob eine Augenbraue. »Sagt, hattet Ihr das Vergnügen, den Comte zu töten?«
»Ich bedauere, Roscolio. Wir wurden dabei gestört.«
»Von wem? Ihr seht nicht so aus, als würdet Ihr Euch von einer Hand voll Stadtwachen aufhalten lassen.«
Jean zögerte. »Kennt Ihr den Orden des Lycáon?«, fragte er, um anhand der Reaktion abzulesen, was Roscolio alles wusste.
»Den gibt es wirklich? Und noch dazu hier in Rom?« Die Überraschung war unübersehbar. »Ihr seht mich nicht wenig verwundert, Monsieur.«
»Und wisst Ihr, dass die Anhänger eines Kardinals ebenfalls eine Rolle spielen?«
»Was genau erzählt Ihr mir da, Monsieur?« Roscolio zog die Augenbrauen zusammen. »Ich dachte bislang, ich hätte in Euch den einzigen Mitbewerber um die Trophäe, den Kopf des Comtes.«
»Im Gegensatz zu uns wollen die anderen den Comte lebend.«
»Ihr werdet Verständnis dafür haben, dass ich Euch noch keinen Glauben schenke, Monsieur Chastel. Jedenfalls nicht aus tiefstem Herzen.« Er ließ ihn nicht aus den Augen, während er die Tasse nahm und daran nippte. »Erklärt mir, was in meinem Reich vor sich geht.«
»In Eurem Reich?« Sarai konnte nicht an sich halten.
Jean warf der Seraph einen warnenden Blick zu. Ihre Anspannung war spürbar und wohl noch größer, weil sie Roscolio als Menschen und nicht als Panterwesen vor sich sah. Zwischen dem kultivierten Mann und dem Auftreten des Comtes im Hinterhof lagen Welten, diese Bestien waren nicht vergleichbar.
»Das solltet Ihr inzwischen verstanden haben, Mademoiselle. Trastevere ist mein.« Er wandte sich wieder an Jean. »Ich lasse nicht zu, dass sich darin Dinge abspielen, die mir nicht gefallen. Es wohnen ohnehin die ärmsten Römer darin, also halte ich die Schurken fern, so gut es geht.«
»Und doch dient Ihr sicherlich nur Euren eigenen Zielen.«
Roscolio lächelte und zeigte weiße, gepflegte Zähne. »Was habe ich davon? Ich bin Händler, der seine teure Ware nicht an Roms Heruntergekommene verkaufen kann. Lieber beschütze ich sie. So tut das Tier in mir trotz seiner Morde
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