Sanctum
versucht, den Geschossen auszuweichen, doch er lief damit genau in die Garbe. Bauch, Brust, Hals und Kopf wurden getroffen, die Wand hinter ihm wurde durchlöchert und mit seinem Blut besprüht. Die beiden Seniorinnen schrien laut und versuchten, sich auf den Boden zu werfen, was in ihrem fortgeschrittenen Alter eine langwierige Sache war.
Der getroffene Gegner taumelte zwei Schritte rückwärts und brach zusammen, dabei drückte er noch einmal ab und jagte den Rest des Magazins aufs Geratewohl heraus. Eine der Omas schrie auf und sank zur Seite, aus ihrer Schulter sickerte Blut.
Eric richtete sich auf und spähte durch das kleine Fenster hinüber in den anderen Wagen, um zu sehen, was Rotonda und sein Begleiter vorhatten.
Die Schüsse waren natürlich auch dort gehört worden, die Menschen suchten so gut wie möglich am Boden oder zwischen den Sitzreihen Schutz, nur ein paar Mutige hoben die Köpfe und schauten zum Fenster. Eric entdeckte Rotonda nicht, wahrscheinlich war er ebenfalls in Deckung gegangen.
Vornüber gebeugt und das G3 mit der Rechten haltend, ging er auf die älteren Damen zu. »Bleiben Sie ruhig«, sagte er auf Italienisch und sah nach der Verwundeten, welche die Augen geschlossen hatte. Ohnmächtig. »Ich bin von der Polizei. In dieser U-Bahn befinden sich gefährliche Verbrecher«, erklärte er der anderen. »Nehmen Sie ein Taschentuch und drücken Sie es auf die Wunde, bis wir an der nächsten Haltestelle …«
Es knallte, Glas zerbarst, und Eric bekam einen Schlag gegen die rechte Schulter. Er bemerkte erleichtert, dass sie nicht mit Silber auf ihn schossen. So konnte er dem kommenden Feuergefecht ziemlich gelassen entgegensehen. Normale Munition tat höllisch weh – aber sie brachte ihn nicht um.
Eric warf sich auf den Rücken, hob dabei das G3 und zielte auf das Fenster, hinter dem gerade der Kopf des Angreifers verschwand. Er legte auf die Stelle unterhalb des Fensters an, schoss das Sturmgewehr leer und zog danach sofort die P9. Als das Dröhnen der kurzen Salven verstummte, fluchte er absichtlich laut; die Mündung der Pistole zeigte unentwegt auf den Durchlass.
Der Mann nahm an, dass Eric nachladen musste, und tauchte wieder auf, um nach ihm zu feuern. Kaum wurde die Stirn sichtbar, drückte Eric zweimal rasch hintereinander ab, und der Angreifer verschwand wieder. Die List war geglückt, jetzt lud er das G3 nach und robbte vorwärts.
Der Zug verlangsamte die Fahrt und fuhr schließlich, ruckelnd und langsam, in den nächsten Bahnhof ein. Eric zog eine Sturmhaube aus der Manteltasche und streifte sie über, um sein Gesicht unkenntlich zu machen, dann warf er einen Blick zu den zwei älteren Damen hinüber. Die eine hatte tatsächlich die Erstversorgung ihrer angeschossenen Freundin übernommen.
Vorsichtig spähte Eric nun hinaus auf den Bahnsteig. Zwei Carabinieri warteten dort mit verschränkten Armen und unterhielten sich, während die U-Bahn zum Stehen kam. Sie bemerkten die Schäden und das Blut an den Scheiben nicht.
Die Wagen standen, die Sekunden kamen Eric vor wie Stunden. Dann, endlich, öffneten sich die Türen. Kreischende Fahrgäste rannten aus dem Abteil, einige von ihnen schrien die Carabinieri an und deuteten auf Erics Wagen. Rotonda ließ sich nicht blicken, weil er wusste, dass Eric nur darauf lauerte.
Die Carabinieri zogen ihre Waffen und näherten sich der Bahn. Dann ertönte das Fiepen wieder, zischend fuhren die Türen aufeinander zu.
Ein schwarzer Schatten hechtete aus dem Vorderwagen, Rotonda rannte geduckt auf die Rolltreppe nach oben zu, dabei schrie er etwas und deutete hinter sich. Die Carabinieri schauten ihm zuerst irritiert hinterher und warfen dann prüfende Blicke auf die U-Bahn.
Der Zug fuhr an.
Mit einem kräftigen Sprung hechtete Eric durch das Fenster, rollte sich über die Schulter ab und feuerte nach den Polizisten. Es war keine besondere Kunst, sie zu überraschen, sie hatten mit einem solch ungewöhnlich harten Angriff nicht gerechnet. Nicht an diesem Ort. Die Mafia regelte ihre Angelegenheiten wohl woanders.
Die Kugeln, die Eric ihnen in die Beine setzte, machten sie kampfunfähig, sie brachen schreiend zusammen und versuchten, die Wunden in ihren Oberschenkeln mit den Händen zuzupressen. An eine Gegenwehr dachten sie nicht, die Schmerzen waren zu gewaltig.
Eric rannte die Rolltreppe hinauf und sah am oberen Ende Rotondas schwarze Kutte verschwinden. Er war verflucht schnell. Aber eben nicht schnell genug, um ihn abzuschütteln. Im
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