Sanctum
verarbeiten, auszuwerten, in irgendein System einzuordnen. Es klang einfach zu abenteuerlich, dass sich verschiedene Spezies der Wandelwesen zusammenschlossen und einen organisierten Angriff durchführten. Und warum schlugen sie sich noch dazu auf die Seite der Bestie? Eric schaute Rotonda an. »Was haben Sie unternommen, um den Welpen zu finden?«
Der Geistliche senkte langsam die Arme und zuckte mit den Achseln. »Nichts.« Er neigte den Oberkörper sacht nach vorn. »Wir erfuhren ja von Ihnen und Ihrem Geheimnis, wenn auch etwas spät. Und nun sind Sie bei uns und werden uns helfen, den Keim der Bestie zu erhalten.«
»Niemals.«
Rotonda lächelte ihn freundlich an. »Warum so ablehnend, Herr von Kastell? Bedenken Sie die Möglichkeiten: Ich kann Ihnen die Vollendung bieten! Alles, was Sie immer gewünscht haben. Sie werden Ihrer wahren Natur folgen können und trotzdem ein Werkzeug des Guten sein. Das ist es doch, was Sie sich wünschen. Was Ihnen den Frieden geben kann, den Sie sich seit so vielen Jahren ersehnen.« Er sprach mit dem lockenden Tonfall eines Verführers – und weckte damit zu Erics Entsetzen die tief in seinem Inneren schlummernde Bestie. »Wir werden dafür sorgen, dass es Ihnen niemals an etwas mangelt. Denn Sie werden den wahren Glauben und die Missionierung der Menschheit unterstützen, die edelste Aufgabe erfüllen, die es geben kann.«
Tu es, knurrte die Bestie.
»Sie können sich die …«
»Alles, was Sie sich wünschen: Freiheit, unbeschränkte Jagdgründe, Frauen … Auch Geld spielt keine Rolle, Herr von Kastell.«
»Für mich auch nicht, Rotonda.«
Wage es nicht, ihren Vorschlag abzulehnen, heulte es in ihm. Ich schwöre, dass ich mich rächen werde, wenn der nächste Vollmond scheint.
»Wir können Ihnen Ihr Paradies schon heute schenken, hier auf Erden. Kommen Sie auf unsere Seite, Herr von Kastell.«
»Was, wenn ich aber überhaupt keine Bestie mehr sein möchte?«
»Nehmen wir den Fluch von Ihnen, wann immer Sie es wünschen.« Rotonda hielt ihm die Hand hin. »Ist das ein Angebot?«
»Damit Sie mit meinem Blut Werwölfe erschaffen und erzwungene Gottesfurcht in die Welt tragen können? Das ist wirklich der beschissene Plan?«
»Es ist ein sehr guter Plan.«
»Mit einem gewaltigen Fehler.« Eric richtete das G3 auf Rotondas Stirn. »Sie sind zu spät dran. Ich bin von den Schwestern geheilt worden!«
»So?« Unter das gütige Lächeln schob sich die Andeutung eines misstrauischen Gesichtsausdrucks. »Verraten Sie mir, wie?«
»Das Blut Christi – schmeckt lecker und reinigt vom Zeh bis in die Haarspitze und …« Eric lauschte, weil er Geräusche von draußen vernommen hatte. »Was hat das zu bedeuten?«
Rotonda fand zu seinem alten Strahlen zurück. »Sie sind zwar nicht durch den Haupteingang gekommen, wie es vorgesehen war, aber mit ein wenig Improvisation lässt sich immer etwas machen.«
Eric hörte Schritte auf dem Gang, schaute zur Tür und ließ Rotonda für einen Lidschlag aus den Augen. Es war der Bruchteil einer Sekunde, ein Blitzzucken, nicht länger. Aber als er wieder nach vorne sah, war der Priester verschwunden.
»Was zum …«
Eine Hand legte sich von hinten um sein Genick, dann wurde er gut einen Meter angehoben und gegen die Wand geschlagen. Eric zog den Abzug des G3 nach hinten, ein Kugelhagel schoss aus dem Lauf und schlug dort ein, wo sich eben noch Zanettinis Schädel befunden hatte – aber der Kardinal lag nicht mehr am Boden!
»Ich kann Ihnen das Genick brechen und Ihnen den Kopf von den Schultern reißen«, hörte er die Stimme hinter sich. Rotondas Atem umspielte sein Ohr und wehte warm daran vorbei. »Einhändig. Sie hatten Ihren Auftritt, aber er ist vorbei. Sie hätten mein Angebot, auf die Seite des Guten zu treten, annehmen sollen. Die Kraft des Herrn obsiegt immer über die Finsternis.« Eric wurde nochmals gegen die Wand geschlagen. »Immer!«
Eric fühlte sein warmes Blut aus der Nase laufen. Vor ihm tauchte nun Zanettini auf. Er bewegte sich geschmeidig und ohne Schmerzen, so als hätte er die Schusswunden einfach vergessen.
»Um das den Menschen begreiflich zu machen, bringen wir die Finsternis in die Welt. Sein Licht wird umso heller erstrahlen«, fuhr er im gleichen verklärten Tonfall wie Rotonda fort. »Sie und die Bestie in Ihnen werden uns helfen.«
Statt einer Antwort schlug Eric mit dem Gewehr nach ihm, doch Zanettini fing den Kolben ab und entriss ihm die leer geschossene Waffe. »Die brauchen Sie nicht mehr.
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