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Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Ziehmutter. »Mir schmerzt das Herz, wenn ich an ihn denke und nicht weiß, wie es ihm geht, was er macht …«
    »Jean wird ihn finden und zu dir zurückbringen«, beschwichtige Gregoria und streichelte Florences Kopf. »Mach dir keine Sorgen. Bis er zurück ist, darf ich dich um etwas bitten?«
    »Ihr dürft mich um alles bitten, ehrwürdige Äbtissin.« Florence richtete sich auf und wischte die Tränen von den Wangen, die blauen Augen waren gerötet.
    »Du wirst Italien verlassen.«
    Erschrocken riss sie die Augen auf. »Warum? Was habe ich …«
    »Hör mir zu, Florence.« Gregoria sah ihr in die Augen. »Du wirst Marianna mit dir nehmen und fortgehen.«
    Sie verstand gar nichts mehr und schaute verwirrt zum Bettchen. »Steht ein neuer Angriff bevor, oder …«
    »Ich furchte, dass Lentolo und unsere übrigen Verbündeten es nicht mehr lange erlauben, dass ich meine Tochter …«, sie biss sich auf die Lippen und hoffte, dass Florence es überhört hatte, »… dass ich Marianna, die ich wie eine Tochter liebe, selbst aufziehe. Sie ist vom Sanctum angekündigt worden und etwas Besonderes. Lentolo könnte danach trachten, sie nach eigenen Vorstellungen zu erziehen, damit er nach meinem Tod eine Frau an der Spitze des Ordens hat, die tut, was er und der Kardinal möchten.«
    »Ihr vertraut sie mir an?« Florence war überwältigt.
    »Ja. Es gibt niemanden, den ich besser und länger kenne als dich, Florence. Du wirst ihr eine gute Mutter sein und sie so erziehen, wie ich dich erzog. Versprich es mir.« Gregoria sah ihr Zögern. »Sobald Jean mit deinem Sohn zurückgekehrt ist und wir ihn geheilt haben, lasse ich ihn zu dir bringen. Bis dahin gib Marianna deine Milch und nähre sie wie dein eigenes Kind.«
    Florences Augen schimmerten feucht. »Ich werde sie lieben wie mein eigen Fleisch und Blut, das schwöre ich Euch. Und ich werde Marianna vor allen Gefahren mit meinem Leben schützen.« Sie stand auf und nahm das Mädchen aus dem Bettchen, gab ihm einen Kuss und reichte es Gregoria.
    »Dann bist du jetzt bereits eine Seraph, Florence. Ein Schutzengel.« Sie spürte die Wärme des Kindes und fand den Gedanken, sie schon bald weder sehen noch riechen noch hören zu können, bereits jetzt unerträglich. Doch es ging nicht anders, wenn Marianna nicht in die falschen Hände geraten sollte.
    »Ich schicke euch beide zu einem entfernten Verwandten meines Vaters. Er lebt im Alsace. Er wird euch aufnehmen, auch wenn du ihm dafür in seinem Haushalt zur Hand gehen musst. Er wird eine gute Rechnerin wie dich bei seinen Geschäften gut gebrauchen können.«
    »Wann soll ich aufbrechen?«
    »Schon in einer Woche, Florence, vielleicht auch früher. Es ist besser so. Eine der Seraphim wird dich begleiten.«
    Florence nickte, nahm die Aufzeichnungen und ging zur Tür. »Ich werde Sarai um Hilfe bitten, ehrwürdige Äbtissin. Sie soll mir Übungsstunden geben, damit ich meine Schwester beschützen kann, wie es sich für einen kleinen Schatz wie sie gebührt.«

    Florence ging auf der Suche nach der Anführerin der Seraphim durch den Hof. Sie hatte den Versprecher der Äbtissin ebenso genau vernommen wie den schlechten Versuch, ihn zu erklären. Wie meine Tochter. Damit erschien ihr alles klar. Sie hatte sich seit ihrer Heilung viel um Marianna gekümmert, ihr die Brust gegeben, weil sie dies für ihren Sohn nicht tun konnte, und dabei war ihr nicht entgangen, dass das Mädchen Gregorias Augen besaß: ein ungewöhnliches Graubraun. Sie dachte sich zunächst nichts dabei, auch nicht, als sie glaubte, eine Ähnlichkeit zu Pierre und Monsieur Chastel zu erkennen. Beim Betrachten von kleinen Kindern konnte man sich viel einbilden.
    Doch nun …
    Florence lächelte und freute sich sogar, dass die Liebe zwischen den beiden Menschen, für die sie so viel Zuneigung und Achtung empfand, etwas so Wunderbares geschaffen hatte. Das Geheimnis wird bei mir gewahrt bleiben, versprach sie Gregoria stumm. Sie winkte Sarai, die gerade durch das Tor kam, und lief zu ihr.

XXI.
KAPITEL

    Russland, St. Petersburg,
2. Dezember 2004, 20.01 Uhr
    Eric saß vor dem offenen Kamin des Wohnzimmers und starrte in die Flammen.
    Wenn es einen Ort auf der Welt gab, an dem man verschwinden konnte, dann war das St. Petersburg. Jedenfalls gab es für ihn keine bessere Stadt. In Russland konnte man fast alle Stellen schmieren, falls es notwendig wurde. Mit Geld war hier immer noch mehr zu erreichen als im westlichen Europa.
    Er hatte Glück gehabt, viel Glück.

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