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Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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einem letzten Aufbäumen, noch einmal auf die Beine zu kommen – da erklang ein dröhnender Schuss. Neben Jean fiel ein Körper in den Kies, ein letztes, röchelndes Ächzen erklang und brach im selben Moment ab. Es stank nach verbranntem Fleisch und schwelendem Fell.
    »Ich habe ihn erwischt, Monsieur«, hörte er Judith atemlos von oben herab rufen. »Die Bestie ist tot.«
    Jeans Verstand erholte sich wieder, die Sicht kehrte zurück.
    Aber was für eine Sicht!
    Er sah diesen Wald, der da in wunderschönem, glasklarem Licht vor ihm lag, mit neuen Augen. Seine Nase sog feinste Düfte ein, die selbst gegen den übermächtigen Geruch des Blutes ankamen. Er hörte Geräusche, die ihm vorher noch nie aufgefallen waren und die sich zu einer verlockenden Melodie verwoben, mit der die Nacht ihn zu begrüßen schien. Jean senkte den Blick und sah François de Molettes nackten Leichnam vor sich liegen. Die Bestie war aus dem Mann gewichen. Damit besaß er die Gewissheit, dass seine Jagd vorüber war. Er fühlte sich unglaublich befreit.
    Und hungrig.
    Er hob seinen Kopf und sah zum Vollmond hinauf, genoss seine warmen, liebkosen Strahlen, pumpte Luft in die Lungen – und stieß ein langes, anhaltendes Heulen aus.
    Erschrocken schloss Jean den Mund und wurde sich jetzt erst bewusst, dass er eine lange Schnauze besaß.
    Ein roter Schleier schob sich vor seine Augen. Seine Gedanken, seine Angst und sein Schrecken über die Erkenntnis verflüchtigten sich.
    Etwas anderes übernahm die Macht.
    Er blickte über die Schulter und sah ein blutendes, junges Mädchen, das wankend auf der Schwelle des Schlosseingangs stand und zu ihm herabschaute. Ihre blauen Augen waren vor Entsetzen weit aufgerissen. Er konnte den Mond in ihren Pupillen sehen und roch die köstliche Angst, die sie verströmte.
    »O Herr, ich flehe dich an«, stammelte sie und warf ihre rauchende Pistole weg, um einen Silberdolch zu ziehen, »steh mir bei in dieser schwarzen Stunde.«
    Jean setzte die rechte Pfote auf die erste Stufe und wusste, wie er seinen Hunger stillen würde.

XXIII.
KAPITEL

    Frankreich, Saugues,
4. Dezember 2004, 01.01 Uhr
    Eric marschierte durch das verlassen wirkende Dorf zu seinem Wagen. Der Schnee wirbelte in dicken Flocken umher und drohte immer wieder, ihm die Sicht zu nehmen.
    Der Winter im Gevaudan war mit dem in Deutschland nicht zu vergleichen, zumindest nicht mit dem im Flachland. Eric schienen die Schneekristalle härter gefroren zu sein; sie schnitten sich wie scharfe Eisenspäne ins Fleisch, während der Wind selbst die winzigste Ritze in der Kleidung fand, wie ein Messer zustieß und eine Kälte hineinblies, dass man innerhalb von ein, zwei Minuten jedes bisschen Wärme verloren zu haben schien. Und nicht nur das: Die Kälte betäubte alle Sinne, fror die Konzentration ein und ließ den ganzen Körper danach flehen, so rasch wie möglich an einen warmen Ort zu gelangen. Eric erging es nicht anders. Er freute sich über jede Mauer, die ihm für einige Meter Schutz gewährte, bevor ihn der Winter von neuem überfiel. Der starke Wind hatte auch den Nachteil, dass es ihm unmöglich war, irgendeinen Geruch wahrzunehmen, abgesehen von dem allgegenwärtigen Gestank brennender Öfen.
    Eric sah den völlig verschneiten Cayenne, der neben der Straße parkte. Jedenfalls nahm er an, dass es sich um seinen Wagen handelte, oder jemand hatte den Porsche geklaut und statt seiner ein anderes, formgleiches Auto unter der weißen Decke hinterlassen.
    Da geschah etwas Merkwürdiges.
    Ohne ein ankündigendes Abflauen riss der eisige Wind plötzlich ab.
    Von einem Lidschlag auf den nächsten war er fort.
    Eric hörte das leise Rascheln, mit denen die Schneeflocken auf das Weiß am Boden trafen; er hörte den Fernseher, der im Erdgeschoss des Hauses zu seiner Linken hinter den Läden lärmte.
    Und er hörte das scharfe Klicken. Eine Zündnadel oder ein Schlagbolzen war auf eine Patrone getroffen, ohne dass etwas geschah. Ein Blindgänger.
    Dann setzte der Wind wieder ein und wirbelte den Schnee umher, Fensterläden klapperten und lautes Pfeifen übertönte jedes feinere Geräusch, auf das er unbedingt angewiesen war.
    Der Schütze saß irgendwo vor ihm. Eric zog sein G3 unter dem Mantel hervor und rannte zum Cayenne, duckte sich neben die Fahrertür und versuchte, etwas von den umliegenden Häusern zu erkennen, die wie grauschwarze Riesen aus den aufgeregt schwirrenden Flocken emporschauten. Hinter jedem Fensterladen konnte sich der Schütze

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