Sanctum
ihn schlafen.« Sie unterbrach die Verbindung, drückte ein paar Tasten und legte sofort wieder auf. Damit funktionierte die Wahlwiederholung schon mal nicht mehr. Das Biest war gerissener, als man ihr ansah.
Anhand der Geräusche wusste Eric, was die Nonne tat: packen, und zwar in aller Eile. Schließlich fiel ihr Schatten über ihn. Sie drückte seinen Mund auf und träufelte etwas hinein. Er kannte den Geschmack nur zu gut: seine Tropfen. Er tat so, als schluckte er die Überdosis, dann ließ sie ihn los und lief zum Ausgang. Die Tür wurde geöffnet und schloss sich wieder.
Kaum war Emanuela weg, spuckte er die Flüssigkeit aus, erhob sich und zog sich eilends an. Er stopfte das Wichtigste seiner Ausrüstung in einen Rucksack und stieg aus dem Fenster, um sich an ihre Fersen zu heften. Dank seiner kleinen Einlage würde sie ihn endlich auf eine konkrete Spur führen; außerdem musste er sich dieses Abzeichen zurückholen.
Er sah sie die Straße herabeilen und nach einem Bus winken, der eben die Straße entlangfuhr. Das machte es schwierig für ihn, ihr zu folgen.
Er duckte sich hinter einem Schneehaufen, als der Bus ihn passierte, und besah sich die teilweise altertümlichen Autos, die vermutlich Hotelangestellten gehörten. Kurzerhand suchte er sich eines aus, dessen Räder halbwegs wintertauglich aussahen, schlug die Scheibe ein und sprang hinein.
Einen Kurzschluss später erwachte der Motor, und Eric nahm die Verfolgung des Busses auf. Er behielt den Abstand bei, auch wenn ihm das ein oder zwei Hupattacken einbrachte.
Sie ließen den Nationalpark mit seinen unzähligen kleinen und großen Hotels, Pensionen und anderen Unterkünften hinter sich und rollten eine breite Straße entlang. Schneeschleier stoben hinter den Rädern des Busses empor und sorgten für Schneeverwehungen, die Eric mit dem Scheibenwischer bekämpfte.
Er hatte die Heizung bis zum Anschlag aufgedreht, um gegen die durch die geborstene Scheibe dringende Kälte anzukämpfen und zu verhindern, dass er am Steuer festfror. Dennoch war es lausig kalt.
»Verdammt, steig endlich aus«, fluchte er, als der Bus zum geschätzt hundertsten Mal den Blinker setzte und anhielt, dieses Mal an einer kleinen Raststätte, die auch Fremdenzimmer anbot. Der neue Geländewagen auf dem kleinen Parkplatz machte Eric stutzig.
Da stieg Emanuela auch schon aus. Sie lief über die Straße zur Raststätte, sah auf das Kennzeichen des Geländewagens und betrat ohne zu zögern das Gebäude.
Eric lenkte das gestohlene Auto auf den Parkplatz. Durch die Vorderfenster der Raststätte sah er nichts, also suchte er sich einen anderen Zugang, um die Nonne und ihre Verbündeten zu beobachten.
Er stieg in der Deckung eines Lkw aus, lief hinter ihm entlang und gelangte zur Rückseite des Gebäudes. Es gab eine Tür, durch die in diesem Moment eine Frau mit einem Putzeimer in der Hand trat.
»Danke«, murmelte Eric auf Russisch und huschte an ihr vorbei ins Innere. Sie kümmerte sich nicht um den verirrten Gast, während er durch den gekachelten Gang, in dem es nach Urin und Desinfektionsmittel roch, ging und auf einen Durchgang zusteuerte, der ihn hoffentlich in den Gastraum führte.
Durchdringender Zigaretten-und Pfeifenqualm schlugen ihm entgegen, zarter Kaffeeduft mischte sich unter den Rauch, begleitet von billigen Deos und kernigem Männerschweiß. Ein letzter Rest von gebratenem Speck mit Kartoffeln und Knoblauch schummelte sich in seine Nase und gab Aufschluss darüber, was man hier gern zu Mittag aß.
Eric lugte vorsichtig um die Ecke und entdeckte unmittelbar in seiner Nähe eine Garderobe, hinter die er trat, um sich dort umständlich langsam von seinem Mantel zu trennen.
Durch einen Riss in der Plastikwand erkannte er den Rücken von Emanuela, keine vier Meter von ihm entfernt. Ihr gegenüber saßen zwei Männer, der eine blond, der andere grauhaarig, von durchschnittlichem Aussehen und einem Alter, das um die vierzig Jahre lag. Nichts an ihnen war auffällig, weder die Frisuren noch die Gesichter noch ihre Kleidung. Sie schienen mit der Raststätte zu verschmelzen; es sah fast so aus, als wären sie einfach nicht da. Wer so gekonnt unauffällig war, hatte Erics Erfahrung nach eine ausgesprochen gute Ausbildung erhalten.
Emanuela sprach aufgeregt, sie beugte sich vor und zurück, ihre Hände wirbelten durch die Luft. Einer der Männer schaute auf die Uhr und streckte die Hand aus. Die Nonne nahm ihre Tasche, holte den halb verbrannten Anstecker hervor und
Weitere Kostenlose Bücher