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Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Geländewagen und nahm die Karte hervor. Eric drückte den Knopf und riss sofort die Tür auf, während das bullige Auto fiepte und blinkte.
    Einer der Männer drehte den Kopf und sah ihn, schrie seinen Freunden etwas zu und riss das Gewehr in den Anschlag.
    Eric schob das Plastikkärtchen in den Schlitz, die Armaturen flammten auf, und ein Schalter mit einer hellblauen Schrift On leuchtete. Er streckte den Finger aus, um darauf zu drücken, da zerbarst die Seitenscheibe und er bekam einen Schlag gegen den Oberkörper. Ein Schmerz raste durch seine Brust und trat auf der anderen Seite wieder aus, zerstörte die gegenüberliegende Seitenscheibe auch noch; gleichzeitig krachte es erneut.
    Es war lediglich der Auftakt zu einem Trommelfeuer, das die Männer eröffneten. Mehrere Kugeln trafen ihn, in den Hals, seitlich an der Schläfe, in die Schulter. Es tat höllisch weh –
    – und die Qualen weckten die Bestie endgültig! Sie schüttelte die Betäubung der Tropfen ab und übernahm die Kontrolle.
    Erics Sicht wurde gleißend rot. Er sah nichts mehr. Als würde er in eine glühende Sonne schauen, während ein anderer eine Reise mit seinem Körper unternahm. Er spürte, wie sich seine Muskeln bewegten, wie er sprang und wie seine Finger Dinge zu packen bekamen und in warme, feuchte Körper eintauchten; wie sich ein metallischer Geschmack in seinem Mund ausbreitete.
    Er bekam noch mit, wie aus der Sonne ein Mond wurde, der totenweiß am Himmel stand und wunderschön leuchtete. Das Licht wärmte ihn, gab dem Bösen in ihm noch mehr Kraft.
    Mit einem letzten Aufbäumen versank sein Verstand in dem weißen Glühen.

VI.
KAPITEL

    19. September 1767, Italien, Rom
    Die Tage vergingen im Fluge, aber trotzdem kamen sie Gregoria vor wie eine Ewigkeit.
    Sie verbrachte viele Stunden damit, immer wieder bei den unterschiedlichsten Würdenträgern nach einer Audienz beim Heiligen Vater zu ersuchen, was stets zum gleichen Ergebnis führte, ganz egal, ob sie zunächst vertröstet oder sofort abgewiesen wurde. Ans Aufgeben dachte sie trotzdem noch lange nicht. Ungeduldig saß sie abends in ihrem Zimmer, betete voller Inbrunst oder beobachtete das Treiben in dem engen Gässchen von ihrem kleinen Balkon aus, wenn sie am Ende eines langen Tages zu erschöpft war, um den Herrn um Hilfe zu bitten.
    Rom war eine lebendige, verwirrende Stadt und mit nichts vergleichbar, was sie bislang in ihrem Leben gesehen hatte. Es gab mehr Kirchen als an irgendeinem anderen Ort, von dem Gregoria wusste. Und nirgendwo sonst existierte das Altertum so selbstverständlich gleich neben der Neuzeit. Die Bewohner Roms bezogen das, was vom Leben und der Größe ihrer Vorfahren zeugte, ganz einfach in ihren Alltag ein. Nicht immer war dieser Umgang respektvoll: Zwischen den Ruinen des Forum Romanum, wo sich einst das Zentrum der Welt befunden hatte, weidete nun Vieh. An anderen Stellen standen die monumentalen Altertümer wie verlorene Giganten inmitten der modernen Bebauung aus prächtigen Palazzi und einfachen Bürgerhäusern und schienen in melancholischen Starrsinn verfallen zu sein. Vor ihrer Zeit als Nonne und Äbtissin, als sie die junge Frau eines reichen französischen Adligen gewesen war und auf den Namen Valerie Marie Comtesse de Montclair gehört hatte, war sie viel gereist. London fand sie trüb und deprimierend, Stockholm zu kalt. St. Petersburg hatte ihr Herz zwar im Sturm erobert – es dann aber genauso schnell gebrochen. Ihr Mann war dort gestorben. Mit einem Schlag hatte sie ihr Vermögen verloren, und den Jahren der leichtsinnigen Verschwendung folgte die Zeit der Läuterung.
    Gregoria trat auf den Balkon und schaute in die schattigen Sträßchen hinab. Welche Zeit im Moment für sie anbrach, wusste sie nicht, aber sie nannte sie seit dem Besuch im Petersdom »die Zeit des Handelns«. Sie würde weiterhin Tag für Tag zum Petersdom gehen und nach dem Heiligen Vater fragen, bis man sie vorsprechen ließ, und wenn es nur aus Mitleid gegenüber einer vermeintlich armen Irren geschah.
    Immer wieder – und oft, wenn sie es am wenigsten wünschte – wanderten ihre Gedanken zu Jean. Ob er mittlerweile ahnte, dass sie nicht mehr bei den Camisarden auf ihn wartete?
    Gregoria wusste, dass sie alles andere als eine hilflose Frau war. Sie konnte auf sich selbst aufpassen. Und trotzdem sehnte sie sich danach, Jean in ihrer Nähe zu wissen. Mit ihm an ihrer Seite würde das ungute Gefühl verschwinden, das sie immer heimsuchte, wenn sie sich des

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